Arealdistribution kastilischer und katalanischer Familiennamen in Italien – und ihre historische Deutung


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„Quartieri spagnoli“ in Neapel

1. Einleitung

Spanien und Italien – zwei aktuell voneinander unabhängige Staaten im europäischen Mittelmeerraum, die für viele Menschen Ähnliches bedeuten: Sonne, kulturelle und kulinarische Vielfalt, Fußball und ein entspannter Lebensstil. Doch die Verbindung der beiden Länder reicht noch weit über diese Gemeinsamkeiten hinaus, wenn man deren historische Vergangenheit betrachtet. Am Ende des Mittelalters liegen die Anfänge einer jahrhundertelangen Abhängigkeit Italiens von der iberischen Halbinsel. Ende des 13. Jh. begann die Krone Aragoniens erste Versuche zur Eroberung italienischer Territorien. Im Lauf der Zeit konnte sie viele Gebiete – die sog. Italia Spagnola – in ihre Gewalt bringen und so zu der Macht schlechthin im mediterranen Raum heranwachsen. Folglich wurden viele Bereiche des Lebens auf der Apenninhalbinsel von den Spaniern beeinflusst. Darunter fallen neben der Politik auch die Kultur, die Sprache sowie die Bevölkerung als solche, da immer mehr Menschen aus Spanien einwanderten. Die Völker vermischten sich und es entstanden Verbindungen, welche noch heute – hunderte von Jahren nach dem dominio español en Italia – merklich wahrnehmbar sind. Zahlreiche Monumente oder Straßennamen zeugen von der starken Präsenz der Spanier in Italien zwischen dem 15. und 18. Jh. und einzelne Regionen der Italia Spagnola weisen nach wie vor Spuren der katalanischen bzw. kastilischen Sprache auf. Doch auch auf gesellschaftlicher Ebene spiegeln sich das damalige Herrschaftsverhältnis und seine Folgen wider. So kommen unter der Bevölkerung Italiens oftmals spanische Familiennamen vor. Hier stellt sich die Frage, ob diese ebenfalls Relikte der historischen Verbindung der Länder darstellen oder lediglich durch spätere Einwanderungsprozesse importiert wurden.
Die Onomastik, bzw. ihre Unterkategorie der Anthroponomastik, beschäftigt sich mit genau solchen Fragen, welche die Kategorien der Personen- und Familiennamen erforschen. Wenn diese in einem bestimmten Gebiet, in einer Stadt, einem Land oder einem Kontinent auf ihre Distribution hin untersucht werden, spricht man von Namengeographie. Diese Teildisziplin der Onomastik gilt als sehr junge Forschungsdisziplin, die jedoch viel Potential birgt.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine Analyse durchgeführt, welche die Verteilung kastilischer und katalanischer Familiennamen in Italien durch Anwendung kartographischer Darstellungen, die in Namensdatenbanken abrufbar sind, untersucht. Ziel der Arbeit ist die Beantwortung der Frage, ob diese Namen noch heute in den Gebieten der ehemaligen Italia Spagnola präsent sind. Darüber hinaus gilt es jedoch im Besonderen zu klären, ob sich Namensdatenbanken, welche die geographische Verteilung von Familiennamen anzeigen, für derartige Forschungszwecke eignen.

Das erste Kapitel soll Aufschluss über das historische Konzept der Italia Spagnola, deren Definition sowie den zeitlichen und territorialen Rahmen geben. Außerdem wird die Periode nach dem Ende der spanischen Herrschaft in den betreffenden Gebieten, nachdem Italien zum unabhängigen, einheitlichen Staat geworden war, im Hinblick auf die aktuelle Verbindung der beiden Länder in einer kurzen Übersicht beleuchtet. Anschließend sollen die Folgen der historischen Herrschaftsverhältnisse auf wirtschaftlicher, politischer, kultureller und gesellschaftlicher Ebene aufgezeigt werden. In diesem Zusammenhang wird zudem auf die Binnenmigration in Italien eingegangen, um später deren Einfluss auf die aktuelle Distribution der spanischen Familiennamen darzustellen. Es folgt ein Kapitel zur historischen Namenforschung, in welchem Definitionen zu den Grundbegriffen der Onomastik mit ihren Untergliederungen enthalten sind, die Grundlagen zur Konsolidierung der Namensgebungssysteme erläutert werden und ein Überblick über aktuelle Forschungstätigkeiten in dieser Wissenschaft gegeben wird. Dem folgt eine Darstellung des aktuellen Namensgebungssystems in Spanien, welche die unterschiedlichen Typen und die Bildung der Familiennamen beleuchtet. Ein nächster Abschnitt beschäftigt sich schließlich mit der Analyse zur Arealdistribution kastilischer und katalanischer Familiennamen in Italien und ihrer historischen Deutung. Dafür wird zunächst der Forschungsstand der behandelten Thematik skizziert. Aufgrund des rasanten technischen Fortschritts, haben sich hier besonders in den letzten Jahrzehnten neue Möglichkeiten zur Untersuchung derartiger Fragestellungen aufgetan. Es soll aber auch auf künftige Potentiale der Namengeographie und im Zuge dessen, auf das Feld der Digital Humanities eingegangen werden. Dem folgen die Vorstellung der zur Analyse verwendeten Namensdatenbank GENS sowie die Darlegung der Vorgehensweise und verwendeter Methode mit ihren Stärken und Schwächen. Nachdem schließlich die quantitativen Ergebnisse der Distribution spanischer Familiennamen in Italien dargestellt worden sind, werden diese im Hinblick auf die historische Verbindung Spaniens und Italiens im Rahmen der Italia Spagnola gedeutet und interpretiert. Des Weiteren wird die Tauglichkeit der Methode für und der Einfluss von Störvariablen geprüft. So sollen die Fragestellungen, ob die kastilischen und katalanischen Familiennamen sich noch heute in den früher spanisch dominierten Regionen der Italia Spagnola befinden, und ob Namensdatenbanken wie GENS zur Untersuchung einer derartigen Thematik beitragen können, beantwortet und ein Ausblick für zukünftige Forschungstätigkeiten gegeben werden.

2. Historischer Überblick über die Verbindung zwischen Italien und Spanien

Die Grundlage der im Rahmen der Arbeit durchgeführten Analyse ist die Frage nach der historischen Verbindung zwischen Italien und Spanien. In diesem ersten Punkt soll deshalb zunächst v. a. auf deren Verhältnis und die Herrschaftssituation seit dem 14. Jahrhundert – zur Zeit der Italia Spagnola – eingegangen werden. Daneben wird die Präsenz der Spanier in Rom und weiteren Gebieten thematisiert, da diese für die vorliegende Analyse nicht außer Acht zu lassen sind. Nach einem geschichtlichen Überblick über die Situation der beiden Mittelmeerstaaten seit der Unità Italiens bis ins 21.    Jahrhundert werden außerdem die Folgen der spanischen Herrschaft für Italien beleuchtet. In einem letzten Unterpunkt soll schließlich auf das Phänomen der Binnenmigration auf der Apenninhalbinsel eingegangen werden, da dies für die späteren Ergebnisse von mehr oder minder großer Bedeutung sein wird.

2.1. Die Italia Spagnola

Die Verbindung Italiens und Spaniens, welche als erste merklich zur Präsenz kastilischer und katalanischer Familiennamen (FN) auf der Apenninhalbinsel führte, hat ihre Wurzeln in der Zeit, als große Teile des Landes von spanischen Herrschern regiert wurden. Diese Periode wird demnach als Italia Spagnola bezeichnet. Doch was genau bedeutet dieser Begriff, welche Gebiete umfasst er und in welcher zeitlichen Periode wird er verortet?

Krefeld definiert das Konzept der Italia Spagnola als eine nicht sehr präzise zu beschreibende geopolitische Epoche. Er zerlegt die beiden Termini und bezeichnet den ersten („Italia“) als die Gebiete Italiens, welche aus politischer Sicht von ca. 1503 bis 1713 spanischer Herrschaft unterlagen. Hierzu werden einerseits die Territorien auf dem Festland, das Fürstentum Mailand und der Stato dei Presidi in der Toskana (nach der Enzyklopädie Treccani der Landvorsprung  an der toskanischen Südküste und ein Teil der Insel Elba [vgl. treccani.it]), „[le] due Sicilie“ (Krefeld 2013: 1) – welche das Königreich Neapel sowie die Insel Sizilien umfassen –, andererseits aber auch Sardinien gezählt. Der zweite Terminus „spagnola“ beinhaltet den Zeitraum der aragonesischen Herrschaft vor der Vereinigung des Reiches mit der Kastilischen Krone 1474. Seit 1282 unterlag damit Sizilien und seit 1323 auch Sardinien dem dominio aragonese bzw. spagnolo. „Detto questo il concetto ‘Italia spagnola’ va inteso come ‘penisola appenninica e isole nel periodo della parziale appartenenza alla Corona d’Aragona e alla Spagna’” (ebd.: 1 f.) und erstreckt sich über einen Gesamtzeitraum von 1282 bis 1734 (vgl. Krefeld 2013: 1 f.).
Das erste italienische Gebiet, welches von den Spaniern in Besitz genommen wurde, war die Insel Sizilien, die von 1282 bis 1713 den Familien der aragonesischen Könige Gehorsam leisten musste. Nachdem das spanische Heer 1283 auch Einzug in Kalabrien hielt, machte es sich schließlich weitere Gebiete des späteren Regno di Napoli zu eigen (vgl. Estévez Fernández 1964: 70 ff.). Es folgte 1326 die endgültige Inbesitznahme Sardiniens, 1499 eine erste Belagerung Mailands und schließlich 1443 die des gesamten Königreichs Neapel (heute der Süden Italiens bis zur Grenze Latiums, des damaligen Kirchenstaates). Diese Zeit der Eroberungen war v. a. geprägt durch Kriege und Schlachten zwischen Spanien und Frankreich, die um die territoriale Macht in Italien kämpften (vgl. ebd.: 84-99), wobei die Spanier den Großteil der Siege verbuchten und die Franzosen aus den belagerten Gebieten nach und nach verdrängten (vgl. ebd.: 99-128). So geschah es, dass 1503 Neapel durch einen triumphalen Sieg des spanischen Heeres über die Franzosen endgültig der iberischen Macht gesichert war (vgl. ebd.: 121 f.), 1535 die Spanier das Fürstentum Mailand und 1555 den Stato dei Presidi offiziell eroberten. Im Jahre 1557 gehörten schließlich das Königreich Neapel, Sizilien, Sardinien sowie das Fürstentum Mailand und der Stato dei Presidi zur spanischen Macht, was durch den Frieden von Chateau-Cambrésis 1559 besiegelt wurde (vgl. ebd.: 128-132). Da die österreichischen Habsburger sich im Rahmen des spanischen Erbfolgekriegs schließlich im Vorrecht um den spanischen Thron glaubten, begannen erneut Kriege in Norditalien, bei denen nun Spanier gemeinsam mit Franzosen gegen diese kämpften. Trotz teilweiser Oberhand der Spanier, konnten die Österreicher ihnen 1706 Mailand entreißen (vgl. ebd.: 176). Durch einen späteren Zusammenschluss des Papstes, Venedigs und Genuas mit Frankreich, verloren die Spanier 1707 einige weitere Gebiete. Dem folgte der Fall Neapels und Sardiniens 1708. Schließlich kam es 1714 zum Frieden von Utrecht, welcher die Abgabe Sardiniens, Mailands und Neapels von Spanien an Österreich bekräftigte. Sizilien ging an Savoyen, wobei die Insel 1720 gegen Sardinien ausgetauscht wurde, was einen endgültigen Wechsel der Herrschaft in den durch Spanien eroberten Gebieten Italiens bedeutete (vgl. ebd.: 177 ff.). Die Abneigung gegenüber den spanischen Herrschern von Seiten des italienischen Volkes wird auch als sog. „Antispagnolismo“ (Benigno 1994: 119 f.) bezeichnet. Die Haltung gegenüber den Spaniern war jedoch zweigeteilt: Einerseits profitierte das Land von deren Heeresmacht und der Verteidigung vor Feinden, andererseits zerstörte der iberische Besetzer auch viele italienische Städte in den zahlreichen Kriegen und das Volk erlitt Diskriminierung und Unterdrückung seitens der spanischen Soldaten (vgl. Croce 1917: 230-235). Bereits seit dem frühen 16. Jh. begannen Proteste und Revolten gegen die spanische Aristokratie in Neapel (vgl. Villari 1976: 33 ff.). In den niederen gesellschaftlichen Schichten machte sich der Wunsch nach Unabhängigkeit und Mitspracherecht bemerkbar. Diese von Neapel ausgehende Revolution breitete sich in ganz Italien aus und Mitte des 17. Jh. wurde schließlich ein neues soziales Gleichgewicht aufgestellt (vgl. ebd.: 37 ff./121 ff./241).

* * *

An dieser Stelle soll nun auch die Rolle des Kirchenstaats Rom, welcher nicht Teil der Italia Spagnola war, für die Fragestellung nach der Verteilung spanischer Nachnamen in Italien dargestellt werden. Seit dem spanischen Königspaar Ferdinand und Isabella erhielt Rom die finanzielle Unterstützung Spaniens für die Instandhaltung religiöser Bauten. So stärkten die spanischen Machthaber dort ihren Ruf und das iberische Reich mit seinen Territorien im Süden Italiens wurde mehr und mehr zum Gönner der Stadt. Dadurch erlangten auch die Spanier Rodrigo Borja und Alonso de Borja Pontifikate, welche die spanische Präsenz im Leben der italienischen Stadt verstärkten und verankerten (vgl. Dandelet 2001: 1 ff.). Das Verhältnis zwischen Spanien und Rom kann als eine Art Symbiose bezeichnet werden, da die Stadt einerseits vom Schutz Iberiens profitierte, der Halbinsel jedoch im Gegenzug eine Sonderstellung als wichtigster Patron Roms eingeräumt wurde (vgl. ebd.: 4 ff.). Als Zentrum des Katholizismus war es für Spanien von großer Wichtigkeit und wurde zu dessen Mittelpunkt in den Bereichen der Religion, aber auch der internationalen Politik und Diplomatie. Unter Felipe II erreichte das Verhältnis der Beiden seinen Höhepunkt, da während seiner Amtszeit sehr viele Spanier nach Rom immigrierten, welche alle Bereiche der Gesellschaft (Wirtschaft, Politik, Kultur) beeinflussten und im späten 16. Jh. ein Drittel der römischen Bevölkerung ausmachten (vgl. ebd.: 7 ff.). Es entstanden wahrhaft spanische Bezirke in der Stadt, deren ursprünglich spanische Bewohner sich mehr und mehr als Italiener identifizierten und es wurden zahlreiche Kinder durch Verbindungen zwischen Spaniern und Italienern zur Welt gebracht (vgl. ebd.: 109/158 f.). Der sog. „informal imperialism“ (ebd.: 9), der Rom durch Freundlichkeit anstelle militärischer Gewalt eroberte, bescherte der Stadt 150 friedliche Jahre bis der Spanische Erbfolgekrieg Anfang des 18. Jh. das Ende des „Spanischen Roms“ bedeutete (vgl. ebd.: 213 f.).
Neben der „Ewigen Stadt“ waren noch weitere Gebiete Italiens außerhalb der Italia Spagnola Wirkungsorte der Spanier. Sie unternahmen beispielsweise Eroberungsversuche in Bologna, Cardona, Ravenna, in der Toskana und der Lombardei, marschierten durch Parma, Genua und den Piemont (vgl. Croce 1917: 215 ff.).
So ergibt sich ein weit gespanntes Netz italienischer Gebiete, deren Eroberung durch die spanische Macht zum Teil erfolgreich, zum Teil nicht erfolgreich war, zum Teil lange Zeit, zum Teil kürzere Zeit deren Herrschaft unterlag. Durch die Präsenz und das Wirken des Reino de España hinterließen Soldaten, Heeresanführer sowie allgemein Menschen, die während dessen Regierungszeit von Spanien nach Italien migrierten, zahlreiche Spuren, welche in einem abschließenden Punkt dieses Kapitels aufgezeigt werden. Im Folgenden wird jedoch zunächst auf die Verflechtungen der beiden Staaten seit der Gründung des Regno d’Italia eingegangen.

2.2. Italien und Spanien seit der Unità bis ins 21. Jahrhundert

Italien war zunächst in viele kleinere Verwaltungsbezirke aufgeteilt. Der Wiener Kongress 1814 beschloss die Restauration des politischen Systems Italiens mit dieser Unterteilung, jedoch mit erneuter Abhängigkeit von den herrschenden Mächten (Savoyen, Österreich etc.). Angeregt durch die Französische Revolution begannen die Aufstände und der Unmut gegenüber dem alten System auch in Italien. Die einzelnen Gebiete definierten sich mehr und mehr durch ihre wirtschaftlichen Charakteristiken: der Norden mit reichen Städten und einer florierenden Industrie, der Süden durch sein angenehmes Klima als Voraussetzung für ein glückliches Leben ohne Sorgen. Ein gemeinsamer Wunsch nach Freiheit und Einheit erhob sich im italienischen Volk sowie das Vorhaben, das Reich neu aufzubauen (vgl. Estévez Fernández 1964: 198 f.). „La idea de nacionalidad que había despertado Bonaparte en los espíritus, volvió en este momento [de la revolución de 1789] con el deseo de que en adelante no serían españoles, austriacos, ni franceses sino italianos” (ebd.: 199). So wurde eine italienische Verfassung erstellt, welche der Papst 1848 unterzeichnete. Nach einigen Tumulten und Aufständen, dem Ersetzen der Schweizer Garde durch eine Zivilgarde und den Freiheitskämpfen Garibaldis, kam es 1859 zur „expedición de los mil“ (ebd.: 203), einer Gruppe von Freiwilligen, die einen Aufstand auf Sizilien startete. Am 12. Februar 1861 erlangte sie den Sieg und schon am 17. März ernannte das Parlament von Turin König Vittorio Emanuele II zum König von Italien (vgl. Metzeltin 1988: 362; vgl. Estévez Fernández 1964: 199-203). Damit einher ging auch die Durchsetzung des Toskanischen als italienischer Nationalsprache (vgl. Metzeltin 1988: 363). Österreich musste schließlich 1866 Venezien abgeben, Rom wurde 1870 komplett von der französischen Besatzung befreit und ist seitdem die Hauptstadt Italiens.
Nun galt es, ein starkes italienisches Reich aufzubauen, das sich im internationalen Kontext zu behaupten wusste. Spanien wurde bezüglich seiner Macht in Europa unbedeutender und wollte Beziehungen mit den mächtigeren Ländern aufrecht erhalten bzw. neu aufbauen. Letzteres war v. a. bezüglich des neuen italienischen Staates gewünscht, um einen Versuch in Richtung Modernisierung und Industrialisierung zu unternehmen. Spanien wollte somit – wie Italien – wieder Kraft schöpfen, um seine einstige Stellung im politischen Netz Europas zurück zu erlangen. Der diplomatische Austausch zwischen den beiden Ländern wurde jedoch vorerst gebremst, da von Seiten Italiens kein wirkliches Interesse an einem solchen bestand (vgl. Tomasoni 2011: 1-5). Spanien blieb weiterhin im Hinterhof der herrschenden Mächte Europas. 1913 wurde schließlich das Spanisch-Italienische Komitee in Rom gegründet, welchem 1914 der „Trattato di Commercio e Navigazione“ (ebd.: 12) folgte und die Beziehungen der Länder maßgeblich zum Positiven beeinflusste (vgl. ebd.: 6-12).
Ein Artikel der italienischen Zeitung LA STAMPA (2012) beschreibt das heutige Verhältnis der beiden Mittelmeerstatten wie folgt: „Italia e Spagna, due sorelle ma non gemelle“ (Juliana 2012). Der Autor bezeichnet deren Verhältnis als Ambivalenz zwischen Anziehung und Ablehnung. So gilt Spanien mittlerweile als ein Land, welches durch seine Sprache als eine der Weltsprachen neben Europa auch im Großteil Lateinamerikas heraussticht, während die italienische Sprache sich auf die Apenninhalbinsel sowie Teile von Argentinien beschränkt und das Land v. a. durch die Modeindustrie in der Weltwirtschaft vertreten ist. Der italienische Norden steht in einer ökonomisch erfolgreichen Position, Spanien hingegen leidet im ganzen Land unter der Wirtschaftskrise, wobei die hohe Arbeitslosigkeit beide Länder betrifft (vgl. ebd.). Gatto (2011) definiert das Problem Italiens und Spaniens bezüglich der Wirtschaftskrise so, dass beide noch so stark an ihrem Nationalitätssinn festhalten, sich aber im Alleingang keinen Platz in der globalen Wirtschaft sichern können (vgl. Gatto 2011).

Neben der aktuellen Verbindung der beiden Mittelmeerstaaten spielt jedoch besonders deren in 2.1 beschriebene historische Verknüpfung – geprägt durch die jahrelange Herrschaft Spaniens über die italienischen Territorien – eine entscheidende Rolle für die Einflüsse des spanischen auf das italienische Reich. Diese sollen im nachstehenden Punkt aus wirtschaftlicher, kultureller, sprachlicher und gesellschaftlicher Perspektive beleuchtet werden.

2.3. Die Folgen der spanischen Herrschaft für Italien

Neben den politischen Einflüssen, die das Spanische Reich auf Italien hatte, wurde letzteres auch in vielen anderen Bereichen des Lebens von der Kultur seiner Unterwerfer durchdrungen. Zu den damaligen Auswirkungen auf die italienische Wirtschaft zur Zeit der Italia Spagnola soll lediglich allgemein gesagt werden, dass die von den Spaniern besetzten Gebiete in Italien zu dieser Zeit die reichsten des Landes waren (vgl. Estévez Fernández 1964: 153), wobei die einst blühende Wirtschaft des antiken Italien zugleich zerstört wurde (vgl. Croce 1917: 241 ff.).
Zudem kann eine deutliche kulturelle Vermischung der beiden Gebiete festgestellt werden. Italien gilt seit jeher als Land der Natur und der Kunst (vgl. Estévez Fernández 1964: 7). Doch bereits zu Beginn des dominio espanol fand ein Austausch der Kulturen statt. In Neapel und Sizilien trugen die Straßen spanische Namen und in Rom befindet sich die wohl deutlichste Spur spanischer Kultur in Italien: Die prunkvolle Piazza di Spagna (vgl. ebd.: 92 f.). Die Katalanen hatten zudem großen Einfluss auf Bauwerke in Sizilien, dem ersten Gebiet, auf welches sie Fuß setzten (vgl. Croce 1917: 21). Zudem fand die spanische Poesie Einzug in Italien (vgl. ebd.: 63). Auf der anderen Seite war es Alfons von Aragonien, der den Spaniern den italienischen Humanismus und deren Kultur näherbrachte und so die frühere Ignoranz demgegenüber überwand (vgl. ebd.: 33). Die damaligen Kontaktgebiete der due culture stellten v. a. der Norden Neapels als Sitz des Vizekönigs, aber auch Rom als Sitz der katholischen Kirche dar. Auch in Venedig, dem Zentrum des Buchdrucks, fand kultureller Kontakt mit dem Spanischen statt (vgl. Gruber 2013: 281 ff.). Umgekehrt hielt diese Integration auch am Hof von Madrid Einzug. Als Machtzentrum des spanischen Königs sollte die Stadt die Nationen, die dem Reich unterlagen, widerspiegeln und „non doveva significare perciò vivere in Castiglia, ma sentirsi in Sicilia, Catalogna, Portagallo e così via“ (Rivero 2009: 8) und kann deshalb u.a. als „piccola Italia“ (ebd.: 4) bezeichnet werden.
Auch die spanische Sprache, die zur Zeit der Italia Spagnola nach Italien „importiert“ worden ist und bis heute deutliche Spuren hinterlassen hat, stellt einen weiteren wichtigen Aspekt dar. Da in Italien vor der Vereinigung viele verschiedene Minderheitensprachen koexistierten bzw. es noch keine offiziell festgelegte Standardvarietät gab, war es möglich, dass das Spanische die existierenden italienischen Formen beeinflussen konnte. So wurde an den Höfen der Vizekönige kastilisch bzw. katalanisch gesprochen. In Neapel z. B. galt dies zumeist auch für die spanischen Soldaten und die Bürger, die in spanischen Vierteln der Stadt lebten (vgl. Krefeld 2013: 2-6). Da von Seiten der Politik kein Interesse daran bestand, eine Sprache als Verwaltungs-, Literatur- bzw. Standardsprache festzulegen, sondern die unterschiedlichen Varietäten zu erhalten, konnten sich das Katalanische und später das Kastilische neben diesen behaupten und z. T. bis zur heutigen Zeit erhalten (vgl. ebd.: 8). Besonders ist hier die Insel Sardinien hervorzuheben. Hier existierte (und existiert noch heute) das Nebeneinander mehrerer Sprachen, die im Leben, der Literatur und der Verwaltung in Gebrauch waren bzw. sind: Italienisch, Sardisch und Katalanisch.  Durch den Handel mit Norditalien oder sardische Studenten auf dem Festland, fand das Italienische Einzug, wurde und wird v. a. für literarische- bzw. offizielle Gesetztestexte verwendet. Die Form verdrängte das Sardische zu großen Teilen und ist heute die am meisten verbreitete auf der Insel. Das Katalanische verbreitete sich seit Anfang des 13. Jh. mit der Eroberung durch das Königreich Aragonien auf der gesamten Insel und in allen Bereichen des Lebens (Verwaltung, Literatur, Kunst etc.). V. a. die Hauptstadt Cagliari und Alghero im Nordwesten waren Ziele iberischer Immigration (vgl. Cadeddu 2013: 14-20). Ab Mitte des 16. Jh. kam der Gebrauch des Kastilischen auf Sardinien auf und wurde neben der Literatur und der Musik v. a. auch im religiösen Bereich und in der Lehre eingesetzt. Jedoch blieb das catalán die vorherrschende Verwaltungssprache (vgl. ebd.: 20 ff.).
Auf Sizilien ist besonders die Verwendung des Kastilischen zu nennen. Es wurde zu einer Form, die als eine Art Gegengewicht zum sich allmählich durchsetzenden Toskanisch, ein hohes Prestige erlangte (vgl.: Sardo 2013: 52 f.). Auch im Königreich Neapel herrschte von Beginn der aragonesischen Herrschaft an ein starker Plurilinguismus vor, welcher neben Latein und dem aufkommenden Toskanisch auch das Katalanische als angesehene Sprache der Politik sowie das Kastilische als Sprache des Hofes beinhaltete (vgl. De Blasi 2012: 45 f.).
Doch die spanischen Dialekte erreichten mit den Jahren auch den Rest Italiens (vgl. Croce 1917: 22 f.), der über so viele Jahre Schauplatz von Kämpfen und Eroberungen der iberischen Macht gewesen war. So galt v. a. das Kastilische auf der einen Seite an den Höfen und in der Verwaltung als angesehene, kultivierte Sprache, auf der anderen als minderwertig gegenüber dem Toskanischen. Auch das italienische Volk beschwerte sich zunehmend über den Sprachenmix, welcher in der Literatur auch durch lexikalische und grammatikalische Fehler hervorstach (vgl. Gruber 2013: 289 ff.). Dieser Plurilinguismus, die Existenz mehrerer im öffentlichen Leben und der Literatur gebrauchten Sprachen in einer Gesellschaft, wurde zur damaligen Zeit jedoch von den Machthabern und Politikern respektiert und ist ein wichtiges Charakteristikum für die Periode der Italia Spagnola (vgl. Krefeld 2013: 9).
Und wie wird eine Sprache nun von einem Ort an den anderen importiert? Durch die Sprecher bzw. die Menschen, die im Laufe der Zeit von Spanien nach Italien gekommen sind – sei es dauerhaft oder nur auf der Durchreise. Nachdem die Gebiete Italiens vom spanischen Militär erobert worden waren, folgte meist eine Immigrationswelle von Händlern oder Bürgern im Allgemeinen. Bereits nach der Besetzung Siziliens kann eine starke Einwanderung aragonesischer Familien festgestellt werden, die auch im politischen Bereich Einfluss übten (vgl. Croce 1917: 20 ff.). Später kamen mit König Alfons von Aragonien viele Spanier nach Neapel; es formte sich eine katalanische Gemeinschaft (vgl. Venetz, 2013: 181). Diese integrierten sich rasch in die lokale Gesellschaft, gingen familiäre Verbindungen mit Italienern ein und wurden so selbst zu Neapolitanern. Es fand eine Art „nazionalizzazione degli aragonesi di Napoli“ (Croce 1917: 57) statt. Die „Eindringlinge“ kamen schließlich auch nach Rom, v. a. als der Papst-Stuhl von dem Spanier Alfonso Borja besetzt wurde und dieser viele seiner Verwandten als Kardinäle einsetzte. Dem folgten katalanische und valenzianische Immigranten, was schließlich durch die Heirat aragonesischer Prinzen und Prinzessinnen im Fürstentum Mailand zu einer Ausbreitung der spanischen Bevölkerung auf der gesamten Apenninhalbinsel führte (vgl. Croce 1917: 84). Da den spanischen Königen viele Adelsfamilien folgten, bildete sich bald eine breite spanische Oberschicht heraus (vgl. ebd.: 122 f.). Besonders in Neapel siedelte sich der „fiore della gente di Spagna“ (ebd.: 217) an und beherbergte neben den Soldaten und dem Adel auch berühmte Künstler der iberischen Halbinsel (vgl. ebd.). Demgegenüber bezeichnet Spagnoletti diese Migrationsbewegungen als ein „fluire di funzionari, militari e operatori economici che a volte restavano, connotando con la propria presenza particolari settori del tessuto urbano […] ma più spesso tornavano in patria” (Spagnoletti 2009: 20). Natürlich konnte auch eine gewisse Adels-Wanderung von Italien nach Spanien für administrative- oder Studienzwecke festgestellt werden (vgl. Sardo 2013: 55). Aktuell (Stand 2013) leben ca. 17.021 spanische Staatsbürger in Italien, was einen Anteil von nur 0,39 % an der Gesamtbevölkerung ausmacht (vgl. tuttitalia.it).

Gerade die Migrationsbewegungen von der iberischen Halbinsel nach Italien zur Zeit der Italia Spagnola sind es, welche die spanischen FN in das Belpaese brachten. Familien zwischen Spaniern und Italienern wurden gegründet und diese Spuren sind noch heute deutlich, wenn man die Verbreitung spanischer FN in Italien betrachtet. Diese wird aber auch durch die internen Wanderungen beeinflusst, welche im Folgenden dargestellt werden sollen.

2.4. Binnenmigration in Italien

Die Binnenmigration in Italien kann unterschiedliche Einflüsse auf die Verbreitung der dortigen Familiennamen haben. Inwiefern dies tatsächlich der Fall ist und auf welche Weise die Wanderungen der Bevölkerung die Interpretation der Verbreitung spanischer FN in Italien beeinflussen bzw. ob sie einen Störfaktor für das Ergebnis der Arbeit darstellen könnten, soll ausführlich im Endergebnis der Analyse unter Punkt 4.5 erläutert werden.
Seit dem 19. Jh. dominierte v. a. die rurale und periodische Migration im Land. Viele Menschen pendelten zwischen Wohn- und Arbeitsort und es ergab sich ein dynamischer Prozess der Saison-Arbeit (vgl. Gallo 2012: 7-11). Mit der wachsenden Industrialisierung stieg auch die Mobilität der Bevölkerung an und die Möglichkeiten, dort hin zu gehen, wo es Arbeit gab, verbesserten sich zunehmend (vgl. ebd.: 11-15). Durch die langjährige Aufteilung Italiens in viele kleinere Verwaltungsbezirke, bildeten sich die Zentren, in denen sich eine stabile Ökonomie entwickelte, in mehreren Gebieten heraus. Besonders Turin, Florenz, Mailand und Rom besaßen die Voraussetzungen, ein solches Zentrum darzustellen (vgl. ebd.: 58 ff.). Die heutige Hauptstadt entwickelte sich zu einem Schmelztiegel der Regionen Italiens und verzeichnete von 1901-1911 einen Einwohneranstieg von 424.943 auf 522.123. Für den Zeitraum von 1872-1901 ergibt sich folgendes Bild bezüglich des Einwanderungssaldos (Differenz aus Zu- und Abwanderung) für die Hauptstädte der italienischen Wirtschaft: Rom 196.782 Einwohner (EW), Mailand 191.976 EW, Turin 105.074 EW, Neapel 75.158 EW, Genua 61.637 EW, Bologna 44.522 EW, Florenz 39.476 EW. Diese Städte waren gekennzeichnet von einer regen Bautätigkeit, einer gut ausgebauten Infrastruktur mit öffentlichen Transportmitteln und einer deckenden Wasser- und Stromversorgung – Eigenschaften, welche sich aus günstigen wirtschaftlichen und geographischen Faktoren ergaben (vgl. ebd.: 61-65). Neben den großen Zentren entstanden im Umland durch die Politik der Dezentralisierung jedoch auch solche mittlerer Größe. Bis 1911 galt Rom als das Ziel schlechthin für die Suche nach Arbeit und einem besseren Leben. Dies sollte sich jedoch verändern, als der Norden Italiens mehr und mehr zum Ziel der Binnenmigration wurde (vgl. ebd.: 66-74). In den dortigen großen Agglomerationsräumen, dem „triangolo industriale“ (ebd.: 117) (Turin, Mailand, Genua) und Rom stieg die Bevölkerung kontinuierlich an, während der Süden nur schwaches bzw. kein Wachstum verzeichnen konnte (vgl. ebd.: 113-117). Dies wurde durch das Ausreiseverbot unter dem faschistischen Regime (seit ca. 1920) weiter angetrieben und damit verstärkte sich auch das Nord-Süd-Gefälle von reicher Industrie im Norden und armer Landbevölkerung im Süden Italiens (vgl. ebd.: 119-124). Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die intensivste Periode der Binnenmigration in Italien. Zwischen 1955 und 1975 wanderten rund 90.000 Menschen vom Süden in den italienischen Norden, 1962 bereits 222.000 und bis 1973 stieg die Zahl auf rund vier Mio. Von 1952 bis 1991 wechselten ca. 6.500.000 Bauern von der Agrarwirtschaft in die produktiveren Sektoren (v. a. Dienstleistungssektor) (vgl. Pugliese 2002: 38-42).
Durch den industriellen Aufschwung in den nördlichen Regionen waren erneut das „industrielle Dreieck“ und Rom Ziele der Arbeitsmigranten (vgl. ebd.: 45-49). Erst Mitte der 1970er Jahre ging die Einwanderung in diesen Städten durch die Ölkrise etwas zurück und auch die Gebiete im Nordosten begannen, sich als Wirtschaftszentren zu etablieren (vgl. ebd.: 64 ff.). In den 80er und 90er Jahren fand zeitweise eine Rückwanderung in ländliche Gebiete statt, einerseits, um dort eine neue Agrarwirtschaft aufzubauen, andererseits, da sich die Lebensverhältnisse dort verbessert hatten und die Nachfrage nach Arbeitskräften im Norden geschwunden war (vgl. ebd.: 67). Bereits Mitte der 1990er Jahre wurde jedoch wieder ein Anstieg der Süd-Nord-Wanderungen deutlich, der besonders die jüngeren Generationen auf der Suche nach gut bezahlter Arbeit betraf (vgl. Gallo 2012: 197 f.).

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Nachdem die historischen Verflechtungen zwischen Italien und Spanien zur Zeit der Italia Spagnola und nach der Unità d’Italia 1861 bis in die heutige Zeit, die Folgen des Einflusses der iberischen Herrschaft auf Italiens Gesellschaft sowie die dortige Binnenmigration seit dem 19. Jh. dargestellt wurde, kann nun auf die Wissenschaft der historischen Namenforschung in den beiden Ländern eingegangen werden.

3. Historische Namenforschung

Dieses Kapitel beinhaltet allgemeine Begriffsdefinitionen aus dem Bereich der Onomastik und deren Einordnung in die Linguistik. Daneben soll auf die Forschung, deren Methoden, aktuelle Interessen und Potentiale der Disziplin v.a. in Italien und Spanien eingegangen werden. In einem zweiten Teil wird das System der Familiennamen in Spanien – von historischen Anfängen über aktuelle Namensbildung – dargestellt.

3.1. Onomastik in Italien und Spanien als linguistische Teildisziplin

Die Online-Enzyklopädie Treccani.it definiert Onomastik als Zweig der Sprachwissenschaft, welcher sich mit dem System der Eigennamen, den Benennungsprozessen und deren Merkmalen beschäftigt. Weiterhin wird die Namenkunde in zwei Hauptströmungen – die Anthroponomastik und die Toponomastik, die Wissenschaften der Personen- und Ortsnamen – unterteilt. Mit der Onomastik verbunden ist der Gedanke der Identifikation und Klassifizierung von Personen bzw. das Identitätsbewusstsein, welches sich aus spezifischen Benennungsmustern ergibt (vgl. treccani.it). Marcato (2011) erweitert diese Definition um die Onomastik als Lehre der Eigennamen in ihrem Komplex, d.h. ihre diachrone oder synchrone Betrachtung und das Zusammenspiel von Nomina Propria innerhalb einer bestimmten Sprache oder Gesellschaft (vgl. Marcato, 2011). Die Anthroponomastik, welche die Grundlage dieser Arbeit darstellt, beschäftigt sich mit den Namen von Personen, die ein Individuum definieren. Man unterscheidet die Kategorien der Personen- und Familiennamen (vgl. ebd.). Nach Migliorini (1935) ist „[g]rande […] l’importanza degli studî [sic!] onomastici, sia per la linguistica, sia per la storia in generale” (ebd.). Die wirklichen Anfänge der Namenforschung werden nach Eichler im 19. Jh. verortet, jedoch wurde der Disziplin bis vor ein paar Jahrzehnten eine Art Randlage in der Linguistik zugeschrieben. In der modernen Forschung gilt die Onomastik als interdisziplinäre Wissenschaft, die das Individuum im Kontext mit der Umwelt und Gesellschaft sieht (vgl. Eichler 1988: 1). Erste häufiger aufkommende Zeugnisse von Eigennamen finden wir in der Zeit des Mittelalters, welche seitdem einen großen Wert für die Forschung darstellen (vgl. ebd.: 3). Seit Ende des Zweiten Weltkriegs kann von ihrer „Emanzipierung als [wichtige] linguistische Teildisziplin“ (ebd.: 7) gesprochen werden. Die Wissenschaft, mit welcher die Onomastik in enger Verbindung steht und welche hier von Interesse ist, ist die Geschichtswissenschaft. Namen können v. a. Auskunft über historische Umstände geben, da Namenmoden und Gründe für bestimmte Benennungsmuster oft Spezifika der Mentalitäten oder politischer, sozialer und kultureller Umstände einer Epoche darstellen (vgl. Bauer 1988: 8). Der Familienname bedeutet eine individuelle Unterscheidung von Personen, über welchen sie sich zu einer Gruppe zugehörig fühlen und dessen Formen und Repertoire je nach linguistischem und kulturellem Umfeld stark variieren (vgl. Zgusta 1988: 1876 ff.). Neben zusätzlichen Informationen zu Lebensdaten und -umständen von Einzelpersonen kann die historische Namenforschung zur Kulturraumforschung beitragen. Dabei wird die Arealdistribution von Namen betrachtet (vgl. Bauer 1988: 9 f.), welche auch den zentralen Aspekt der vorliegenden Arbeit darstellt. Die Hauptquelle der Namenforschung stellen historische Daten wie Urkunden oder Diplome vergangener Epochen dar, welche im Mittelalter v. a. von Kirche und Stadtverwaltung stammten (vgl. Hausner 1988: 294 ff.). Die Namenforschung gibt demnach Auskunft über Namensgeber, Namensträger, Namenslandschaften, Namensgebungskonventionen und Mentalitäten einer Gesellschaft (vgl. Walther 1996: 1665 f.). Die Analyse zur Verbreitung spanischer FN in Italien hat gezeigt, dass die moderne Technik und die endlosen Möglichkeiten des Internet einen entscheidenden Beitrag zur Zugänglichkeit von solchen Quellen geleistet haben, da u.a. die statistischen Institute ihre Daten zum Großteil öffentlich zugänglich machen. Mit Hilfe dieser Datenbanken ist es mittlerweile möglich, große Mengen an Namenmaterial zu speichern, zu kategorisieren und abrufbar zu machen. Hierbei spielt eine erfolgreiche Lemmatisierung eine große Rolle. So ist es sinnvoll, Schreibvarianten von FN, welche zum gleichen Grundnamen gehören, auch als solche zu erkennen, was für die Erstellung von Verbreitungskarten eine wichtige Prämisse darstellt (vgl. Geuenich, 1988: 335 ff.). Beispielsweise zählen die Partonyme Fernández und Fernandes als zu Fernando zugehörige Formen (vgl. Faure et al., 2009: 345).
Italien gilt als eines der ersten Länder Europas, in das die Vergabe eines erblichen FN Einzug findet; um 1000 n. Chr. tauchen hier erste schriftliche Dokumente in Venedig als Quellen auf. Zwischen den Anfängen des 15. Jh. und dem 18. Jh. konsolidiert sich das System zunächst in den oberen Schichten der Gesellschaft und je nach geographischer Lage (ländlich, städtisch, regionsspezifisch) unterschiedlich schnell (vgl. Palamara 2007: 37 f.). Mit wachsender Bevölkerung und der Herausbildung eines Wirtschaftssystems, steigt auch die Notwendigkeit zur Identifizierung und Unterscheidung der Mitglieder einer Gesellschaft – deren Benennung. So festigt sich die Kombination aus Vor- und Familienname allmählich in ganz Europa (vgl. ebd.: 39 f.). Nach dem Konzil von Trient 1563 wird dieses System offiziell eingeführt, welches dem Staat die Verwaltung erleichtert und im Privatleben für Identifikation steht. Bis zur Unità d’Italia herrschte noch keine feste Regel vor, welcher Nachname einem Kind gegeben wurde. Bisweilen war es der des Vaters, bisweilen der der Mutter und zu mancher Zeit konnte ein solcher sogar willkürlich geändert werden. Erst 1942 wurde das Recht auf einen Familiennamen und dessen Unveränderlichkeit im Codice Civile gesetzlich verankert (vgl. ebd.: 52-55). Darüber hinaus ist auch der Einfluss auf das Italienische durch fremde Völker und deren Eindringen in das Land zu nennen (vgl. ebd.: 65). Auch die im Rahmen der Arbeit durchgeführte Analyse zeigt die Auswirkungen der spanischen Herrschaft auf die italienische Sprache, aber auch die vorkommenden FN, wie an späterer Stelle deutlich wird. Die italienische Onomastik-Forschung beginnt v. a. ab der 2. Hälfte des 19. Jh. Fuß zu fassen und beschäftigt sich zunächst mit historischen Wörterbüchern zu Toponymen und deren geographischer Verbreitung (vgl. Mastrelli 1988: 163 f.). Daneben gilt der Herkunft von Personennamen besonderes Interesse, wozu u. a. von Gerhard Rohlfs (Studi e Richerche su Lingua e Dialetti d’Italia. Florenz: G.C. Sansoni, 60-74/109-121) geforscht wurde (vgl. Bagola 1988: 424 f.). Die modernere Forschung beschäftigt sich jedoch zudem mit der Etymologie, der Herkunft und der Geschichte von Familiennamen (vgl. Sanfilippo 2010: 136 ff.). Ein wichtiger Forscher bezüglich der Anthroponomastik ist Emidio De Felice, der 1978 zunächst ein etymologisches Wörterbuch über italienische FN und später über deren geographische Verbreitung verfasst hat. Daneben gibt es viele universitäre Forschungsprojekte und Institutionen, die sich mit der Wissenschaft der Onomastik beschäftigen (vgl. Mastrelli 1988: 163-167). Seit einiger Zeit wird auch die Arealdistribution von FN vermehrt betrachtet, worauf jedoch in Punkt 4.1 detaillierter eingegangen werden soll.
In Spanien wurde die Verwendung von FN ab dem 11. und 12. Jh. v. a. in notariellen Dokumenten häufiger. Um die Verwaltung zu vereinfachen, fügten Notare den Personen Beinamen, den Namen ihres Vaters oder deren Berufsbezeichnung hinzu. Zunächst geschah dies lediglich für Geistliche und den Adel, weitete sich jedoch zwischen dem 13. und 15. Jh. auf alle sozialen Schichten aus, da v. a. der Besitz einer Familie unter deren Namen festgehalten werden sollte. Zu dieser Zeit galt noch die absolut freie Wahl eines apellido, der gefiel und passend schien. Erst ab dem 15. Jh. konsolidierte sich das noch heute bestehende System des Erbnamens, in manchen peripheren Gebieten Spaniens jedoch erst im 19. Jh. Mit den in dieser Zeit aufkommenden Gesetzen zur Namensgebung und dem Registro Civil 1870 (vgl. Kremer 1992: 460) wurde dieses Konzept schließlich flächendeckend festgeschrieben (vgl. Faure et al. 2009: XVII-XXI). Dadurch entstand auch das aktuelle FN-System Spaniens, welches sich seit dem 16. Jh. durch die Kombination aus dem Namen des Vaters (primer apellido) und dem der Mutter (segundo apellido) heraus kristallisierte. Dieses Arrangement scheint im europäischen Kontext ausschließlich dem Spanischen und Portugiesischen zugehörig (vgl. ebd.: XLIII). Diese Bildung ist gesetzlich festgeschrieben und ein offizieller Namenwechsel ist kaum möglich, während im Privatleben einige Variationen stattfinden (vgl. Kremer 1992: 461 f.). Typisch für Katalonien ist das Bindeglied y (kat. i) zwischen den beiden Namen (z. B. Ferrer i Puig) zur Unterscheidung formgleicher Vor- und Familiennamen (vgl. auch das Anfügen der Partikel de) sowie die gesetzlich geregelte Möglichkeit, die korrekte katalanische Namensform zu verwenden und Fehlschreibungen dieser zu korrigieren (vgl. Kremer 1996: 1271; vgl. Institut d’Estudis Catalans). Im Gegensatz zur onomastischen Forschung in Italien ist diese in Spanien als eher rückständig zu bezeichnen. Insbesondere die Anthroponomastik stand bis vor Kurzem im Vergleich zur Toponomastik bisher nur wenig im Interesse der Untersuchungen. Erst seit wenigen Jahren wird auch in diesem Bereich mehr recherchiert. Doch auch hier fällt auf, dass die Vornamen häufiger im Fokus stehen als die FN. Da die Onomastik v. a. von Philologen untersucht wurde, die sich zumeist mit der Herkunft und Bildung von Namen beschäftigen, ist der geschichtliche Aspekt, der, wie oben bereits angesprochen, eine bedeutende Stellung bezüglich der Wissenschaft einnimmt, überwiegend außer Acht gelassen worden (vgl. Sánchez Rubio/Testón Núñez 2012: 75 f.). Darüber hinaus gibt es mehr Forschungen zum Individuum als zu dessen Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext, welcher in einer interdisziplinären Wissenschaft wie der Onomastik eigentlich von großer Bedeutung ist. Besonders seit den 1980er Jahren stieg das Interesse für die Anthroponomastik im universitären Umfeld und es kam vermehrt zu deren Verknüpfung mit modernen Techniken und Geisteswissenschaften, was auch in Spanien mit leichter Verspätung zu Fortschritten in der Forschung und zur Gründung einiger Forschungsinitiativen führte. Diese beschäftigen sich sowohl mit diccionarios históricos als auch der Veränderung von Namen seit dem Mittelalter. Jedoch weisen solche Projekte zum Teil noch Mängel bezüglich der globalen Betrachtung der Thematik oder einer Unstimmigkeit über die angestrebten Ziele und die verwendeten Methoden auf. Auch im spanischen Kontext wird auf das Potential des Internets als Datenquelle für die Onomastik hingewiesen (vgl. ebd.: 76-81). Neben der akademischen Forschung gibt es jedoch auch extrauniversitäre Bündnisse, welche über die Verbreitung sowie den Wissensstand der Namenforschung aufklären und diese promoten. Besonders im geschichtlichen Zusammenhang stellt die Onomastik eine vielversprechende Disziplin dar, wobei diese v. a. in den Regionen Katalonien, Galizien, dem Baskenland untersucht wird.
Schließlich muss auch angemerkt werden, dass besonders Kenntnisse über die Zeit des Mittelalters vorherrschen, während die Untersuchungen sich der aktuellen Namenkunde seltener annehmen (vgl. ebd.: 82 ff.). Als Pionierarbeit der „modernen“ Onomastik kann das Werk von Ariza und Rodríguez Sánchez (1970er Jahre) gesehen werden, die ein Namenregister für die Gemeinde Cáceres aufstellten oder Ansóns Werk über die Institutionalisierung der spanischen Familiennamen im 17. Jh. (vgl. ebd.: 67 f.). Auch Faure, Ribes und García bezeichnen ihren Diccionario de apellidos españoles als erstes Werk, welches sich mit der Herkunft von FN beschäftigt. Sie stellen fest, dass nach der ersten Auflage des Buches 2001 das Interesse für die Thematik in der spanischen Forschung gestiegen sei, die früheren Werke sich jedoch meist auf ein bestimmtes Gebiet bezögen und nicht das Gesamtspanien umfassten (vgl. Faure et al. 2009: XI f.).  Desweiteren soll hier auf die Arbeiten von Dieter Kremer, Universität Trier 1979-2010 verwiesen werden (hispanismo.cervantes.es). Methodisch gesehen müssten v. a. gemeinsame Forschungsziele und Vorgehensweisen entwickelt werden, welche in kollektiven Verbreitungskanälen und Sammelbänden zusammengetragen werden könnten. Derzeit sind die meisten Beiträge in schwer zugänglichen Zeitschriften enthalten, welche die Recherche erschweren. Weitere Probleme bestehen in der Abundanz der einzelnen Artikel, in der sich der Wissenschaftler kaum zurechtfindet oder in noch unzureichend analysierten historischen Dokumenten und Namenregistern (vgl. Sánchez Rubio/Testón Núñez 2012: 85-93). Das Verständnis von Namen, deren Gebrauch und das System der Namensgebung sowie die Verfahren bezüglich deren Weitergabe müssen als neue Ziele der Forschung in den Fokus geraten, damit auch soziale Fragen, wie Migrationsflüsse in interdisziplinärer Zusammenarbeit beleuchtet werden können (vgl. ebd.: 94 f.).
Als Grundlage der im Rahmen der Arbeit durchgeführten Untersuchung sollen im Folgenden die Typen spanischer Familiennamen und deren Bildungsweise betrachtet werden.

3.2. Familiennamen in Spanien – Typen von Familiennamen und deren Bildung

Im spanischen FN-System werden insgesamt sechs Kategorien differenziert, aus welchen sich ein Nachname formen lässt. Diese sind der Name des Vaters, der Name des Herkunfts- oder Wohnortes (Land, Stadt, Dorf, Stadtbezirk, Anwesen, Gebäude etc.), der Beruf bzw. das Amt oder der Titel der betreffenden Person, Spitznamen und persönliche Eigenschaften, Segnungen und zu guter Letzt Namen ungewissen bzw. unbekannten Ursprungs (vgl. Faure et al. 2009: XXI).
An dieser Stelle sollen detailliert lediglich die Namen vorgestellt werden, welche aus dem Namen des Vaters bzw. des Herkunfts- oder Wohnortes gebildet werden, da sie die häufigsten Formen im spanischen Namensystem darstellen.

  1. Schon früh wurden Personen desselben Vornamens durch das Attribut ihrer Abstammung, den Taufnamen des Vaters, voneinander unterschieden. So gab es Formen wie „José el hijo de Sancho“ (ebd.), welche in dieser Form noch heute in ländlichen Gebieten existieren. Durch Kürzungen entstanden schließlich Namen wie „José el de Sancho“ bzw. „José de Sancho“ (ebd.), womit das Konzept der vererbten Namen entstand, welches nur in seltenen Fällen den Beinamen der Mutter umfasste. „Así se explican los numerosos apellidos actuales procedentes de nombres de bautismo como Juan, Tomás, José, Simón, Jorge etc.” (ebd.: XXII). Die Präposition de wurde auch nachträglich oftmals hinzugefügt, um Verwechslungen mit dem Vornamen zu vermeiden (z. B. De Pedro). Eine besondere Form dieser Patronyme ist die in Spanien am weitesten verbreitete FN-Bildung durch das Suffix –ez, –es,z oder arag. –iz. So wird der Sohn eines Fernando z. B. Pedro Fernández heißen. Laut Kremer (1996: 1268 ff.) kann die Rückführung auf die lateinische Genetiv-Endung –is nicht bestätigt werden, aber auch andere Erklärungsversuche zum Ursprung der Form sind nicht hundert prozentig nachweisbar (vgl. ebd.: 1269). Im romanischen Kontext ist die Form exklusiv dem Spanischen zugehörig. Auch in vielen antiken Toponymen findet man diese Suffigierung wieder (z. B. Badajoz, Jerez). Diese Bildung von Patronymen wird als traditionell aus den Regionen Kastilien, León, Navarra und Aragonien stammend bezeichnet, kommt jedoch u. a. auch bei katalanischen Formen, wie kat. Llopis (kast. ‘López’) vor (vgl. Faure et al. 2009: XL f.).
  2. Die Tradition, Personen durch den Namen ihres Herkunfts- oder Wohnortes zu identifizieren reicht weit in die Vergangenheit zurück (z. B. Jesus von Nazareth). Diese Namen werden demnach aus einem Toponym gebildet. Beispiele dafür wären José el Aragonés oder Juan de Villanueva, welche sich zu José Aragonés und Juan Villanueva entwickelten. Solche Namen sind vielfältig und können von einem Land, einem Dorf, einem Anwesen, einem Fluss, einer Pflanze, einer Region, einer Population etc. stammen (vgl. ebd.: XXII f.).

Eine Besonderheit stellt die Benennung von Waisenkindern dar. Diesen wurde oftmals der Nachname Expósito (von sp. expuesto ‘ausgesetzt’ [vgl. Faure et al. 2009: 334]) gegeben, worauf unter 4.4 genauer eingegangen werden soll. Jedoch lassen sich vermutlich nicht all diese aktuell vorkommenden Namen von Findelkindern ableiten, sondern vielmehr von Ortsnamen oder anderen Toponymen (vgl. Faure et al. 2009: XLIII f.).
Abschließend kann gesagt werden, dass die Etymologie der spanischen FN über die Jahrhunderte hinweg von vielen anderen Völkern und deren Sprachen beeinflusst wurden (vgl. Kremer 1992: 467).

* * *

Aufbauend auf den vorangegangenen Information über die geschichtliche und aktuelle Verbindung Spaniens und Italiens, die Italia Spagnola und ihre Folgen, den Überblick über die linguistische Teildisziplin der Onomastik sowie deren Bedeutung und Forschung in den beiden Mittelmeerstaaten und eine abschließende Darstellung der Typen und Bildung spanischer FN kann im nachstehenden Kapitel die Analyse zur Arealdistribution kastilischer und katalanischer FN in Italien in ihrer gesamten Breite vorgestellt werden.

4. Analyse zur Arealdistribution spanischer Familiennamen in Italien

Dieser Abschnitt erläutert zunächst die Anwendungsbereiche der Namengeographie allgemein sowie deren frühere und aktuelle Potentiale zur Klärung unterschiedlicher Fragestellungen. Dies geschieht v. a. im Hinblick auf technische Entwicklungen und ausgeweitete Forschungsbereiche. Anschließend soll anhand bereits vorhandener Arbeiten, welche die Arealdistribution von Familiennamen in einem bestimmten Gebiet beschreiben, auf den aktuellen Forschungsstand der hier behandelten Thematik eingegangen werden. Nachfolgend wird die zur vorliegenden Analyse verwendete Namensdatenbank GENS im Hinblick auf technische Grundlagen, Funktionsweise und Zielsetzung des Projekts vorgestellt. Nach diesen elementaren Informationen, welche dazu dienen sollen, die Fragestellung, ob die kastilischen und katalanischen FN noch heute in den zu Zeiten der Italia Spagnola spanisch dominierten Gebieten zu finden sind und sich das mit Hilfe von Namensdatenbanken beantworten lässt, folgt die Darstellung der angewendeten Methode und Vorgehensweise bei der Untersuchung. Danach wird auf die quantitative Verteilung der betrachteten FN in den italienischen Gemeinden eingegangen, bevor diese im Ergebnis der Analyse hinsichtlich des Konzeptes der Italia Spagnola historisch gedeutet werden. Abschließend findet eine zusammenfassende Bewertung der angewandten Methode statt.

4.1. Namengeographie

Um die der Arbeit zugrunde liegende Analyse vorstellen zu können, muss zunächst geklärt werden, was unter dem Begriff der Namengeographie zu verstehen ist. Es folgt ein Überblick über den Forschungsstand der behandelten Thematik der Arealdistribution von Familiennamen sowie Forschungspotentiale der Namengeographie früher und heute, bei welchen v. a. technische Neuerungen eine Rolle spielen sowie über. Abschließend sollen die Funktionsweise und die Intention des Projekts GENS vorgestellt werden.

4.1.1. Definition und Forschungsstand der behandelten Thematik

Die Namengeographie befasst sich mit der Verteilung jeglicher Art von Namen (Ortsnamen, Gewässernamen, Personennamen etc.) in einem bestimmten Gebiet und bedient sich des Hilfsmittels elektronischer Datenerfassung, um Namenkarten zu erhalten. Dies kann besonders zur historischen Sprachgeographie sowie zur Kulturraumforschung genutzt werden, was auch Ziel der vorliegenden Untersuchung ist (vgl. Kunze 1996: 1065). Die Familiennamengeographie ist eine relativ junge wissenschaftliche Teildisziplin der Namenforschung und differenziert sich in die Darstellung großer Datenmengen in Form von Namen und deren geographischer Verbreitung sowie deren Interpretation (vgl. Kremer 2010: 9 f.). Besonders Konventionen der Familiennamensgebung in bestimmten zeitlichen Perioden bzw. Migrationsbewegungen können durch sog. „Kernnamen“, welche in einer bestimmten Region häufig vorkommen, beobachtet werden (vgl. Kunze 1996: 1067 f.). Wie bereits unter 3.1 erwähnt gilt die Onomastik als interdisziplinäre Wissenschaft und so kann auch die Kulturraumforschung als solche bezeichnet werden, da sie die räumliche Verteilung von Namen betrachtet und so historische, aber auch archäologische, geowissenschaftliche o. ä. Fragestellungen aus den unterschiedlichsten Bereichen beantworten kann (vgl. Bauer 1995: 11 f.). Die Namenforschung ist jedoch in erster Linie der Sprach- und Literaturwissenschaft zuzuordnen, da über die Namen als sprachliche Gebilde Bezüge zu deren Position im Sprachsystem, deren Geschichte und Herkunft, aber auch zur „areallinguistische[n] Namengeographie“ (ebd.: 15) hergestellt werden können, wobei v. a. auch die linguistische Datenverarbeitung eine Rolle spielt. (vgl. ebd.: 15). Bereits im Mittelalter besteht ein Interesse an der Herkunft von Namen und die Epoche des Humanismus weist Forschungstätigkeiten bezüglich ihrer geographischen Verbreitung auf. Daraus lässt sich erkennen, dass schon früh die Bedeutung von Namen als historische Quelle auch in Zusammenhang mit ihrer geographischen Verbreitung erkannt wurde (vgl. Eichler 1955: 3). Besonders den Eigennamen kommt eine besondere Bedeutung als historische Quelle zu, da sie Auskunft über die Entwicklung einer Sprache und die soziale Struktur der Gesellschaft einer Epoche geben können. So sind Namen der diachronen (zeitliche Erstreckung, Namenwandel und -änderung), diastratischen (Durchdringen gesellschaftlicher Schichten, Mentalitäten s. 3.1), aber auch der diatopischen (geographische Verbreitung, Bildung von Namenslandschaften) Ebene im Diasystem zuzuordnen (vgl. Walther 1996: 1665). Im Rahmen der Arbeit ist jedoch besonders die dritte Ebene der Verbreitung von Namen im geographischen Raum von Bedeutung, wobei der Fokus auf der FN-Geographie liegt. „Familiennamengeographie […] ist die Untersuchung von FN und FN-Typen in ihrer räumlichen Verbreitung auf der Grundlage kartographischer Darstellungen“ (Goossens 1996: 1141). Die Distribution der FN ist stark mit der seiner Träger im betrachteten Gebiet zusammenhängend. Da mehrere Personen denselben FN tragen können, entsteht für einzelne Orte eine bestimmte Namensdichte. Darüber hinaus müssen Bildungsvarianten einer Namensform berücksichtigt werden (vgl. Lemmatisierung). Um das Vorkommen von FN zeigen zu können, haben sich v. a. Telefonbücher als hilfreiche Mittel erwiesen, da sie alle Namensträger eines Ortes auflisten, sofern die Anschlüsse registriert sind (vgl. ebd.: 1142). Der aktuelle Forschungsstand der FN-Geographie im romanischen Sprachraum soll hier beschränkt auf Spanien und Italien beleuchtet werden.
Für den spanischsprachigen Raum sind mir zum einen Arbeiten von Pablo Mateos, Professor für „Geografía Humana“ am University College London aufgefallen. Seine Hauptarbeiten behandeln u.a. die Stadt- und Bevölkerungsgeographie, die Trennung sozialer Räume, aber auch die Familiennamengeographie (vgl. ucl.ac.uk). El análisis geodemográfico de apellidos en México (Mateos 2010) befasst sich mit der Verbreitung von Eigen- und FN in Mexiko, um Migrationsbewegungen und die Bevölkerungsstruktur zu untersuchen. Im Rahmen seiner Studie bewertet er zudem die technischen Möglichkeiten für die Beantwortung derartiger Fragestellungen, welche am Ende dieser Arbeit aufgegriffen werden sollen (vgl. Mateos 2010: 73). In einem weiteren Artikel zur Segregación residencial de Minorías Étnicas y el Análisis Geográfico del origen de Nombres y Apellidos (Mateos 2006) versucht er, die Bevölkerung in ethnische Gruppen einzuteilen und diese u. a. mit dem linguistischen oder geographischen Ursprung ihrer (Familien-)Namen zu verknüpfen (vgl. Mateos 2006: 83). Zum anderen liegt eine eher quantitative Untersuchung von Manuel Ariza über die Geografía Lingüística de los Apellidos Españoles vor, bei welcher er die zahlenmäßige Verbreitung und Häufigkeit einiger spanischer FN untersucht (vgl. Ariza 2001). Bezüglich katalanischer FN untersucht Caro Reina (2014), laut eigener Aussage zum ersten Mal, die Anwendung der Familiennamengeographie für die katalanische Onomastik, indem er v. a. auf Methoden und Datengrundlagen bei seiner Arbeit zur Geografía de los apellidos catalanes – Estudio en base a listines telefónicos eingeht (vgl. Caro Reina 2014). Kremer (2010: 30 f.) merkt an, dass sich in der spanischen Forschung Schwierigkeiten durch die nebeneinander existierenden offiziellen Sprachen und Sprachsysteme der autonomen Regionen mit unterschiedlichen Schreibweisen von Namen, aber auch das System der Doppelnamen bzw. unterschiedliche und sich z. T. widersprechende Namensverzeichnisse der Regionen im Hinblick auf eine effiziente Datensammlung ergeben.
In Italien hat wohl Emidio De Felice (1978, 1980) die Pionierarbeit zur Untersuchung der Familiennamengeographie geleistet. Mithilfe von Telefonbüchern, welche die privaten Anschlüsse italienischer Haushalte auflisten, führte er eine Untersuchung zur Arealdistribution italienischer FN in Italien durch. Hierbei stellt er für einzelne Regionen typische FN heraus, betrachtet diese im sozioökonomischen, politischen und soziokulturellen Zusammenhang und untersucht, in welchen Gebieten Italiens welche Formen von FN vorkommen. Darüber hinaus bezieht er auch den Einfluss der Binnenmigration in seine Studie ein (vgl. De Felice 1980). Nach De Felices Studien folgten in Italien zahlreiche weitere Arbeiten, welche in wissenschaftlichen Zeitschriften, wie der Rivista Italiana di Onomastica regelmäßig veröffentlicht werden. So untersucht Caffarelli (2008) die Häufigkeit italienischer FN in bestimmten Regionen und klärt deren demographischen Wert sowie deren Fähigkeit, beispielsweise Migrationsbewegungen zu erklären (vgl. Caffarelli 2008). In einer weiteren Studie stellt er die für bestimmte Regionen typischen FN und deren geographische Verbreitung vor. Hierbei bewertet er auch die technischen Möglichkeiten zur Untersuchung solcher Fragestellungen und zeigt die Grenzen der (auch im Rahmen dieser Arbeit verwendeten) Namensdatenbank GENS auf (vgl. Caffarelli 2009: 138). Die eben vorgestellten Forschungsprojekte basieren fast ausschließlich auf Listen zu Telefonanschlüssen oder Häufigkeitslisten von FN der Statistischen Institute, welche in den meisten Fällen eine sinnvolle Datengrundlage darstellen. Jedoch weisen laut Kremer (2010) Datenquellen wie Telefonverzeichnisse Schwächen auf, da mehrere Anschlüsse (z. B. Zweitwohnsitz, Arbeitsplatz) auf einen reduziert werden müssten bzw. vollständige Einwohnerverzeichnisse nur für wenige Staaten (z. B. Belgien) existieren (vgl. Kremer 2010: 11). Was Mateos auf die Entwicklung der Forschung im spanischen Raum bezieht und was in Punkt 3.1. bereits angesprochen wurde, kann durchaus globalisiert werden: Die steigende Digitalisierung und die stetig wachsenden Möglichkeiten des Internet haben es möglich gemacht, große Datenmengen für die Öffentlichkeit elektronisch zugänglich zu machen, was für eine erfolgreiche interdisziplinäre Forschung der Onomastik und damit auch der Namengeographie unumgänglich ist (vgl. Mateos 2010:73 ff.).
Innerhalb meiner Recherchen habe ich keine Hinweise darauf gefunden, dass die Verbindung Spaniens und Italiens bisher in einem solchen Kontext, welcher die Distribution kastilischer und katalanischer Familiennamen auf der Apenninhalbinsel behandelt und sie vor ihrem historischen Hintergrund deutet, bisher so untersucht wurde. Die der Arbeit zugrunde liegende Analyse stellt demnach einen ersten Versuch dar, Namensdatenbanken für derartigen Zwecke anzuwenden.
Im folgenden Punkt sollen zukünftige Forschungspotentiale für die Namengeographie als linguistische, aber auch historische Forschungsdisziplin v. a. im Zusammenhang mit dem Bereich der Digital Humanities dargestellt werden.

4.1.2. Zukünftige Forschungspotentiale im Bereich der Digital Humanities

In einem Artikel der Zeitschrift Italienisch haben Krefeld, Lücke und Von Ehrlich (2014) die Notwendigkeit des Einsatzes digitaler Medien in der Sprachwissenschaft aufgezeigt und die relativ junge Wissenschaft der Digital Humanities (DH) mit ihren Potentialen für die italienische Philologie vorgestellt.
Der Begriff

„[…] bezeichnet einerseits alle Optionen, die sich für die Geistes- und Sozialwissenschaften aus den so genannten Neuen Medien ergeben, also neue Formen der sprachlichen Kommunikation, […] der Textgenese und Rezeption, […] der Datenerhebung und -analyse, […] der Forschungskooperation und andererseits die daraus entstehende Notwendigkeit neuer theoretischer Modellierungen“ (Krefeld et al. 2014: 52).

Die Anfänge der DH liegen im Jahr 1949, als ein italienischer Priester ein lemmatisiertes Wörterverzeichnis eines mittelalterlichen literarischen Werks mit Hilfe technischer Mittel anlegt (vgl. Hockey 2004: 4). In den Folgejahren steigt das Interesse für den Computer-Einsatz im Bereich der Linguistik: Einige digitalisierte Wörterbücher, aber auch Zeitschriften kommen auf den Markt, Kongresse zum Thema der DH werden organisiert (vgl. ebd.: 5 ff.). Deren Anzahl wächst in den Jahren der Konsolidierung (1970er/1980er), ab Mitte der 1980er Jahre werden mehr und mehr Softwareprogramme entwickelt und technische Neuheiten, wie E-Mail ermöglichen die Kooperation unter den Forschern (vgl. ebd.: 8-11). Besonders durch das Internet wuchs die akademische Forschung und es konnten Daten für ein breiteres Publikum zugänglich gemacht werden, welche mit multimedialen Elementen verknüpft wurden. Seit Anfang der 2000er Jahre gibt es zunehmend Lehrstühle und Studiengänge, die sich mit DH auseinandersetzen (vgl. ebd.: 12-16).
Aufgrund der Durchsetzung des Internet und der sozialen Medien verändert sich derzeit das Selbstverständnis der Geisteswissenschaften (inkl. der Sprachwissenschaft) Richtung Digitalisierung und ihrer Verknüpfung mit der Informationstechnologie, welche in zahlreichen Projekten angewandt wird (vgl. Krefeld et al. 2014: 53 f.). Es gilt dabei, digital abrufbare Daten unterschiedlicher Medien und Gattungen zu verknüpfen und durch Kooperation eine modifizierbare Forschungsplattform zu schaffen (vgl. ebd.: 54 f.). Findet eine gezielte Wissensvermittlung über die digitalen Möglichkeiten für die Philologie statt, können sprachwissenschaftliche Fragestellungen um interdisziplinäre Interpretations-möglichkeiten erweitert werden (vgl. ebd.: 63 ff.). Auch im Bereich der Geschichtswissenschaften ergeben sich dadurch Möglichkeiten, die ein wissenschaftsübergreifendes Interpretationsspektrum zugänglich machen und auch für die vorliegende Untersuchung von Interesse sind. Seit den 1960er Jahren fand in diesem Bereich ein Umdenken und die Verknüpfung traditioneller Forschung mit sozialwissenschaftlichen Methoden statt (vgl. Thomas 2004: 56). In den 80ern werden in Europa vermehrt Datenbanken für historische Zwecke verwendet, stehen aber auch oft in der Kritik, da die Technologie die Pflicht der Geschichte zu Wahrheit und Objektivität zunichte mache und zu einer Fragmentierung und dem Verlust kultureller Autorität führe (vgl. ebd.: 60 f.). Porsdam (2013) diskutiert in einem Artikel die Balance zwischen quantitativer und qualitativer Forschung in den DH, um genau diese Gefahren zu vermeiden. Sie plädiert dafür, dass nicht mehr nur eine möglichst große Menge zugänglicher Daten, sondern auch deren Interpretation und Verständnis im Mittelpunkt stehen soll (vgl. Porsdam 2013). Durch die hohen Datenmengen historischer Dokumente und Informationen bedeutet deren Zugänglichkeit gerade in diesem Gebiet einen großen Fortschritt für die Forschung. Auch das sog. Mapping, die kartographische Darstellung von Städten und deren Verknüpfung mit Video- und Audiomaterial oder zusätzlichen Datenbanken, schafft neue Interpretationsmuster für die Geschichtswissenschaften. Derzeit liegt der Fokus auf den sog. „historischen GIS“ (geographischen Informationssystemen), welche historische Daten geographisch darstellen und andere Disziplinen wie Demographie oder Archäologie darin integrieren, wodurch auch vierdimensionale Landschaften geschaffen werden können, in denen sich der User selbständig in einer virtuellen Welt bewegen kann. Für solche Ziele muss die Computertechnologie jedoch stets transparent sein, damit der Nutzer den besten Zugang zu Nachforschungen und Interpretationen findet (vgl. Thomas 2004: 62-67).

Auch die vorliegende Analyse zur Arealdistribution kastilischer und katalanischer FN in Italien basiert auf der Verwendung einer Namensdatenbank, die die kartographische Verteilung der Namen im Gebiet sichtbar macht. Im nächsten Abschnitt sollen die Funktionsweise und die Möglichkeiten von GENS aufgezeigt werden.

Die Webseite gens.info ermöglicht neben Informationen zu Tourismus und Kultur in Italien auch solche zu den italienischen Namen. Neben Daten über Herkunft, Geschichte und Verbreitung von Personennamen gibt die Webseite Aufschluss über die Konsolidierung und Bedeutung von Familiennamen und deren Erforschung, welche bereits unter Punkt 3.1 geklärt wurden. Darüber hinaus ist die gezielte Suche nach FN und deren geographischer Verbreitung möglich. „L’Italia dei cognomi risponde ad una semplice domanda: come è distribuito un particolare cognome sul territorio italiano?” (gens.info).
Die Basis bilden dabei Telefonbücher, aus welchen die Daten extrahiert und nach Gemeinden (it. comuni) gruppiert wurden. So entstand eine Datenbank von über fünf Mio. Datensätzen, welche die rund 20 Mio. privaten Telefonanschlüsse Italiens beinhalten. Jeder Datensatz besteht dabei aus einem FN, einer Gemeinde und der Häufigkeit, mit welcher der FN in dieser vertreten ist. Um die Fragen nach der Verbreitung einzelner Namen oder Gruppen von FN in einem bestimmten Gebiet anschaulich beantworten zu können, wurde eine graphische Benutzeroberfläche entwickelt, welche die Distribution und Häufigkeit nach comuni (‘Gemeinden’) kartographisch darstellt. Man kann hierbei zwischen drei Darstellungsformen auswählen: der Italia delle Regioni (Unterteilung des Landes in Regionen und Anzeige der Diffusion des FN durch Kreise unterschiedlicher Größe, welche nach Häufigkeit variiert), der Italia delle Province (Unterteilung des Landes in Provinzen und Häufigkeitsanzeige durch entsprechende flächendeckende farbliche Markierung) sowie der Italia fisica (Häufigkeitsanzeige durch Kreise auf physischer Karte mit territorialem Relief). Außerdem gibt es die Möglichkeit, jede Region einzeln und durch Zoom genauer zu betrachten (vgl. gens.info). Die Webseite weist jedoch einige Schwächen auf, die im Folgenden in Zusammenhang mit der Vorgehensweise aufgezeigt werden sollen. Deren Gewichtung für das Endergebnis der Analyse wird unter 4.5 dargestellt.

Im Folgenden soll zunächst auf die Vorgehensweise und die angewandte Methode bei der Untersuchung der Fragestellung zur Arealdistribution kastilischer und katalanischer Familiennamen in Italien eingegangen werden.

4.2. Methode und Vorgehen

Wie aus dem Überblick zur Italia Spagnola (2.1) ersichtlich wird, sind die spanischen Gebiete, welche zur Präsenz der FN in Italien führen zum einen das Königreich Aragonien, das sich 1137 aus Aragonien und der Grafschaft Barcelona formte sowie das Königreich Kastilien (vgl. uned.es). Beide wurden 1474 vereint woraus sich ergibt, dass ich für die Untersuchung allgemein spanische, kastilische und katalanisch-aragonesische FN und deren Präsenz in Italien analysiert habe. Aragonien wird später mit Katalonien zusammengefasst betrachtet, da die heutigen Regionen das frühere Königreich bildeten und auch sprachlich zusammenhängen. Der Einfluss des Katalanischen auf die aragonesische Sprache ist besonders im 13. Jh. zu erkennen (vgl. Saralegui 1992: 38 f.).
Mithilfe der Webseiten der Statistischen Institute Spaniens und Kataloniens, des Instituto Nacional de Estadística (INE) sowie des Insitut d’Estadística de Catalunya (Idescat.) (im Folgenden „Statistische Institute“) wurden zu Beginn die häufigsten FN in Spanien und Katalonien ermittelt. Online sind dazu Excel-Tabellen verfügbar, welche deren Rangfolge, geordnet nach Anzahl der Namensträger, anzeigen. INE bietet hierzu eine Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten an. Man findet Listen zu den häufigsten FN im kompletten Gebiet Spaniens, zu den der jeweiligen Provinzen, aber auch solche, die die Namen nach Geburtsland, Geschlecht oder Geburtsdekade sortieren (vgl. ine.es, 2015). Für die Analyse wurde zum einen die Tabelle für Gesamtspanien (Häufigkeit mehr als bzw. gleich 100 im ersten Nachnamen) und zum anderen die zu deren Vorkommen in den einzelnen Provinzen herangezogen. Erstere besteht aus insgesamt 25.889 Namen, während für die Provinzen jeweils nur 50 FN angezeigt sind. Die Daten stammen vom 01.01.2013, jene für das vergangene Jahr 2014 werden laut E-Mail-Auskunft des Instituts erst Ende Mai 2015 veröffentlicht (E-Mail von 06.04.2015, s. Anhang 7.7, 1).
Bei Idescat. sind die aktuellen Daten des Jahres 2014 (56.535 FN insgesamt ab einer Häufigkeit von vier oder mehr) bereits publiziert (vgl. idescat.cat, 2014). Für die Region Katalonien wurde demnach Idescat. verwendet. Die entsprechende Liste ist laut Auskunft des Amtes (E-Mail vom 31.05.2015, s. Anhang 7.7, 2) nach dem Mittelwert der Häufigkeit des ersten und zweiten Nachnamens sortiert. Die dieser Arbeit zu Grunde liegende Untersuchung wurde auf Basis der Häufigkeit des primer apellido durchgeführt. Um dies auch für die Verteilung in Katalonien zu gewährleisten ist demnach eigenhändig eine neue Tabelle angelegt wurden, da die Häufigkeitszahlen aufgrund der Berechnung des Mittelwerts nicht durchgehend exakt nach Größe absteigend sortiert sind. Deshalb wurden die Namen in der Tabelle soweit in Excel kopiert, bis keine „Unstimmigkeiten“ bezüglich der Frequenz mehr zu erkennen waren und anschließend absteigend nach Häufigkeit des ersten Nachnamens geordnet.
Zudem wurden mithilfe der Tabelle „Apellidos más frecuentes por provincia de residencia“ (INE) Rangfolgen für die Regionen Kastilien (Castilla y León mit Castilla La Mancha und Madrid) und Aragonien erstellt. Für die Erstellung der Listen sind zunächst die den autonomen Regionen angehörenden Provinzen ermittelt worden (Huesca, Teruel, Zaragoza für Aragón sowie Albacete, Avila, Burgos, Ciudad Real, Cuenca, Guadalajara, León, Madrid, Palencia, Salamanca, Segovia, Soria, Toledo, Valladolid und Zamora für Castilla mit Madrid) (vgl. libero.it). Anschließend erfolgte eine alphabetische Ordnung aller darin enthaltenen Namen. Die Häufigkeiten der Namen, welche in mehreren Provinzen vorkommen, wurden addiert und in Tabellen zusammengetragen, die für Aragonien die 81 und für Kastilien mit Madrid die 180 häufigsten FN umfassen. Die Zusammensetzung der Regionen aus Provinzen orientiert sich an der aktuellen geographischen Gegebenheit.
Die Anzahl der untersuchten apellidos für Gesamtspanien und Katalonien belaufen sich auf je 400, welche sich zum Großteil überschneiden. Somit ergibt sich eine Gesamtzahl von schlussendlich 550 betrachteten spanischen Familiennamen in Italien. Hier muss erwähnt werden, dass in der Vorarbeit dazu eine noch höhere Zahl an Namen vorlag. Diese hat sich jedoch aufgrund der Beschränkung des Titels der Arbeit verringert. Die 550 Namen setzen sich demnach aus solchen, kastilischen, katalanischen und aragonesischen Ursprungs zusammen. Außerdem wurden jene inkludiert, welche von einem allgemein spanischen bzw. antiken Wort oder Namen abgeleitet sind. Sie wurden in ihrer modernen Schreibweise untersucht, da auch deren aktuelle Verteilung in Italien von Interesse ist.
Zur Bestimmung der Namensherkunft dienten zwei etymologische Wörterbücher (Tibón, G. (1995). Diccionario etimológico comparado de los apellidos españoles, hispanoamericanos y filipinos. México: Fondo de Cultura Económica. und Faure, R./ Ribes, M. A./ García, A. (2009). Diccionario de apellidos españoles. Madrid: Editoral Espasa Calpe, S.A.). Es zeigt sich, dass die meisten Namen von einem kastilischen, allgemein spanischen bzw. antiken Wort, Namen oder Toponym abgeleitet werden. Diese wurden demzufolge als Namen kastilischen bzw. „allgemeinen“ Ursprungs vermerkt, was anhand der nachstehenden Beispiele kurz erläutert werden soll. Der FN Rey zählt als Name kastilischen Ursprungs. „Apellido, muy frecuente y distribuido por toda España, procedente del sustantivo castellano rey, monarca, soberano“ (Faure et al. 2009: 640). Castro hingegen kommt aus dem Romanischen castro, was wiederum vom lat. castrum ‘Burg’ stammt (vgl. ebd.: 230) und wird somit als ein Name „allgemeinen“ Ursprungs gesehen. Als katalanisch bzw. aragonesisch wurden jene bezeichnet, welche eine in der Region typische Form eines Namens darstellen oder eindeutig dieser zugewiesen werden. So ist Blanch eine katalanische Ableitung des kast. Blanco (vgl. ebd.: 152) und Ara eindeutig ein „[a]pellido de orígen aragonés“ (ebd.: 70). Bei einigen Fällen trafen bisweilen mehrere mögliche Ursprünge (z. B. kastilisches Wort oder allgemein spanisches Toponym) aufeinander. Hier wurde dann eine subjektiv plausible Entscheidung getroffen, welcher Herkunft der Name zuzuordnen ist. Luna wurde der Kategorie „allgemeiner Ursprung“ zugeordnet, da er einerseits ein Toponym verschiedener Provinzen darstellt, es sich andererseits aber auch um einen Beinamen für Kinder handeln könnte, die bei Vollmond zur Welt kamen (vgl. ebd.: 478). Es gab nur marginal auftretende Ausnahmen, bei welchen der Name in den verwendeten Wörterbüchern nicht zu finden war. Mithilfe des Internets konnte in fast all diesen Fällen eine Antwort gefunden wurden, wobei anzumerken ist, dass oft keine genauen Informationen zur Quellengrundlage genannt waren oder undurchsichtig ist, ob user-generated content vorliegt. Besonderes Augenmerk lag deshalb auf der inhaltlichen Übereinstimmung mehrerer Webseiten, wie heraldysinstitute.com, misabueso.com, heraldica.levante-emv.com, bisabuelos.com u. a.
Auf dieser Basis wurden unterschiedliche Tabellen erstellt, die zunächst die FN und zugehörige Häufigkeit in Spanien bzw. Aragonien, Kastilien und Katalonien enthalten. Um ihre Häufigkeit und ihr Vorkommen in Italien zu untersuchen, wurde mit der im vorangegangenen Punkt vorgestellten italienischen Namensdatenbank der Webseite GENS gearbeitet. Zunächst galt es zu entscheiden, welche Kartenansicht gewählt werden sollte. Die „Farbkarte“ ist dahingehend sinnvoll, da relativ schnell durch die Abstufungen erkannt wird, in welchen province ein Name besonders häufig bzw. selten vorkommt. Jedoch zeigt sich hier der Nachteil, dass einerseits die exakte Außenkontur Italiens nicht ersichtlich wird, welche zu Identifikation einzelner Regionen jedoch von großer Bedeutung ist. Andererseits werden die Provinzen als Gesamtes flächendeckend farbig markiert, was zu einer geringeren Genauigkeit der Verortung der Namen führt. Die „Kreiskarte“ hat genau in den letzten beiden Punkten ihre Vorteile: Die Geographie Italiens ist genau erfasst und trotz der gröberen Aufteilung in regioni kann genau bestimmt werden, wo ein Name vorkommt. Die Kreise bzw. Punkte erscheinen nämlich an der Stelle, wo Personen mit einem bestimmten Familiennamen leben. Die physische Karte wurde nicht verwendet, da die topographische Darstellung für die Abbildung als ablenkend und störend empfunden wurde.
Der folgende Schritt bestand in der Eingabe der spanischen FN in das Suchfeld und deren Wiedergabe auf der Landkarte. Hierbei wurde notiert, in wie vielen comuni diese vorkommen und es wurde deutlich, in welchen Gebieten Italiens sie wie stark auftreten. Als Basis für die nächste Stufe der Analyse und zum Festhalten der Ergebnisse wurde sowohl von der Kreis-, als auch von der Farbkarte eine Bildschirmaufnahme (Screenshot) gemacht und – auf die Landkarte reduziert zugeschnitten – abgespeichert. Mithilfe der Suchergebnisse von GENS wurden die bereits erstellten Excel-Tabellen der FN und ihrer Häufigkeit in Spanien um die Spalte „Häufigkeit IT Comuni“ ergänzt. Am Ende jeder Tabelle findet sich die Gesamtzahl der FN und der Gemeinden, in denen sie erscheinen, wieder. Für die historische Deutung der Arealdistribution sind zudem Tabellen angefertigt worden, die zeigen, welche FN in den ehemaligen Gebieten der Italia Spagnola (Mailand, Stato dei Presidi, Süditalien, Sizilien, Sardinien) vorkommen. Diesen wurde ihr etymologischer Ursprung zugeordnet, um schließlich feststellen zu können welche FN (allgemein spanisch, kastilisch, katalanisch-aragonesisch) sich in welchen Teilen der Italia Spagnola befinden. Das Ganze wurde darüber hinaus durch Diagramme, welche die Anteile der FN-Gruppen zeigen, graphisch veranschaulicht.
An dieser Stelle sollen einige Störvariablen genannt werden, welche sich bis hierher ergeben hatten. Zum einen stellen einige Familiennamen an sich einen Störfaktor dar. Da sich die spanische und italienische Sprache aufgrund ihres gemeinsamen Ursprungs im Lateinischen bisweilen stark ähneln, gelten mehrere der betrachteten Namen als exemplarisch für beide Nationen. So existieren Wörter, wie costa, rosa oder campo im Italienischen sowie im Spanischen, wie auch die Namen Franco und Clemente (u.a.) mit germanischen bzw. lateinischen Wurzeln (vgl. Faure et al. 2009: 260/354). Solche sind deshalb, wie im Endergebnis genauer betrachtet, sehr häufig in Italien vorhanden. Sie wurden trotzdem in die Arbeit aufgenommen, da in ihrer Distribution auch die spanischen Namen enthalten sind. Ein weiterer Störfaktor ist, dass die Namen in den Tabellen von INE und Idescat. in Großbuchstaben und ohne Akzente über den Vokalen angegeben sind. Im Großteil der Fälle wurde die korrekte Schreibung aus den diccionarios ersichtlich, jedoch gibt es auch Beispiele, die beide Schreibungen zulassen. So würde Calvo eigentlich dem Kastilischen zugeordnet, aber die Form Calvó dem Katalanischen. Hier fiel die Entscheidung auf die Form, die vermutlich häufiger in Spanien vorkommt, was im Fall Calvo vs. Calvó letzten Endes der kastilische Ursprung war, da katalanische Namen, nach der Rangliste des INE zu urteilen, eher auf den unteren Plätzen zu finden sind. Auch die Möglichkeit auf INE, die geographische Verteilung von FN sichtbar zu machen, lässt keine Akzente über Vokalen zu. Des Weiteren kann die Suche der Namen auf GENS nur eingeschränkt korrekt erfolgen, da es auch hier nicht möglich ist, Akzente über Vokalen oder die Tilde über dem spanischen Ñ zu setzen. So ergibt sich für die Suche nach Pena (eigentlich sp. Peña) ein verfälschtes Ergebnis. Laut Anweisung der Webseite soll es möglich sein, Akzente durch einen Apostroph (‘) zu ersetzen. Dies führte jedoch bei einigen spanischen FN zu der Anzeige „cognome non trovato“ (z. B. Garcia mit Resultat, Garci‘a ohne Resultat). Da auch die Tilde nicht gesetzt werden kann, habe ich entschieden, die FN ohne Akzente zu suchen, um eine einheitliche Recherche zu gewährleisten. Ein weiterer Grund dafür, ohne Akzente mit GENS zu arbeiten, war, dass diese – wie bereits erwähnt – auch in den Listen von INE und Idescat. nicht geschrieben wurden. Im Fließtext der folgenden Kapitel, welcher die Ergebnisse und Vorgehensweise erläutert, schreibe ich die in GENS gesuchten Namen somit auch ohne Akzente und Tilden, damit deutlich wird, welche geographische Distribution sich für welche Schreibweise ergibt. Meist sind die korrekten Schreibweisen hier bereits dahinter in Klammern angegeben. Im Anhang findet sich in der Tabelle aller untersuchten FN eine Spalte der Namen mit Akzenten und Tilden, da so die angezeigte Herkunft ersichtlich wird. Diese „korrekte“ Schreibweise ist dem Diccionario von Faure et al. (2009) entnommen. Durch den beschriebenen Störfaktor ergeben sich folglich einige „Fehlschreibungen“. Demnach erhält man bei der Suche nach Martin (eigentlich Martín) ein Ergebnis, welches ein starkes Vorkommen im Norden Italiens zeigt. Hier ist nicht bekannt, ob das auch auf die Namen dt. Martin bzw. fr. Martin zurückzuführen ist. De Felice verweist darauf, dass spanische FN mit Akzent in den italienischen Telefonverzeichnissen teilweise an eine italienische Schreibweise ohne Akzent angepasst wurden. So wird aus Gómez Gomez oder aus López Lopez, was dazu beiträgt, dass das Endergebnis nicht allzu stark verfälscht wird (vgl. De Felice 1980: 183). Im Hinblick auf die Doppelnamen-Problematik der Webseite GENS (s. 4.1.3) kann gesagt werden, dass innerhalb der Analyse zwar nur der jeweils erste FN betrachtet wurde, deren Häufigkeit jedoch mit Einbeziehung der Doppelnamen evtl. geringfügig höher ausfallen könnte. Bezüglich der Störvariablen lässt sich sagen, dass sie so weit als möglich umgangen wurden, jedoch nicht umfassend beseitigt werden konnten.
Das weitere Vorgehen für die Analyse besteht aus der kartographischen Darstellung der Verbreitung der untersuchten FN. Mithilfe des Bildbearbeitungsprogramms Photoscape wurden die zuvor gespeicherten Screenshots der Kreiskarten „übereinander gelegt“. Hierfür wird die erste Namenskarte des betrachteten Gebiets (z. B. Katalonien) als Basis im Programm geöffnet. Durch eine spezielle Funktion lassen sich mehrere Bildebenen stapeln. Man wählt dazu die nächste Datei aus, erhöht die Transparenz soweit wie möglich und justiert das Bild so auf dem vorherigen, dass Schriften und Landesgrenzen übereinstimmen. Dieser Prozess wird so lange fortgeführt, bis eine komplette Übersicht aller Namenskarten entstanden ist. Diese Karten wurden mit FN ab einer Häufigkeit von 10 comuni in Italien erstellt, da sich eine geringere Verbreitung auf dem finalen Bild nicht merklich wahrnehmen ließe. Die Wahl fiel hier auf die Kreiskarten, da diese die gesamte Geographie Italiens abbilden. Insgesamt wurden sieben dieser Übersichtskarten zu folgenden Grundlagen erstellt: die häufigsten Familiennamen im Gebiet Gesamtspaniens, die häufigsten im Gebiet Katalonien, die häufigsten im Gebiet Kastilien und die häufigsten im Gebiet Aragonien. Außerdem sind jeweils Karten zu FN „allgemeinen“, kastilischen und katalanisch-aragonesischen Ursprungs angefertigt worden. Die Reihenfolge des „Stapelns“ wurde nach alphabetischem Prinzip vorgenommen, um Verfälschungen der „Final-Karte“ aufgrund von Häufigkeiten in Spanien oder Italien zu vermeiden. Dies erklärt sich anhand eines auftretenden Störfaktors. Die Transparenz kann nicht auf 0 gesetzt werden, da das Bild sonst durchsichtig wäre, was technisch nicht möglich ist. Deshalb bleibt der weiße Hintergrund der Karten immer leicht „milchig-weiß“. Werden nun mehrere Einzelkarten übereinander gelegt und es kommt dazu, dass ein „Häufigkeiten-Kreis“ länger nicht mehr an derselben Stelle auftaucht, wird dieser irgendwann überdeckt und verschwindet. Die Gebiete, in denen die meisten Namen vorkommen, bleiben auf diese Weise trotzdem sichtbar, jedoch sind in der Gesamtansicht nicht alle einzelnen Orte bzw. Kreise und Punkte erkennbar. Im Ergebnis der Analyse werden die Namen sowohl auf Basis der Gesamtkarte als auch auf Basis ihrer Einzelkarten betrachtet und bewertet.
Im Anhang finden sich die auf Basis eigens angefertigter Tabellen erstellten Diagramme (7.5), die mit Photoscape gestapelten Karten (7.6) sowie die E-Mails der Statistischen Institute Spaniens und Kataloniens (7.7). Der beiliegenden CD-ROM sind die einzelnen Namenskarten für jeden untersuchten FN in jeweiliger Ausführung einer Farb- und Kreiskarte (Ordner „Namenskarten“) sowie die eigenhändig erstellten Tabellen in digitaler Form zu entnehmen (Datei „1-Alle FN“). Diese zeigen alle untersuchten FN in der Schreibweise, in welcher sie von den Statistischen Instituten verfügbar waren bzw. auf GENS gesucht wurden (ohne Tilde bzw. Akzent) und in ihrer jeweiligen „korrekten“ spanischen Schreibweise. Des Weiteren sind Tabellen der FN nach jeweiliger spanischer Herkunftsregion, etymologischem Ursprung und ihrer Verteilung in den Gebieten der Italia Spagnola (Dateien 2-6) sowie die von INE und Idescat. übernommenen bzw. leicht modifizierten, Ranglisten enthalten (Dateien „INE-komplett“, „INE-provincias“, „Idescat“).

Im folgenden Punkt sollen nun die quantitativen Ergebnisse der Analyse zusammengetragen werden, bevor sie dann in einem Zwischenergebnis auf die historischen Aspekte der Italia Spagnola und der Verbindung zwischen Spanien und Italien in der Zeit vom 14. bis zum 18. Jh. hin gedeutet werden sollen.

4.3. Die Verbreitung kastilischer und katalanischer Familiennamen in Italien

In diesem Abschnitt soll auf eine detaillierte Beschreibung der Verteilung allgemein spanischer, kastilischer, katalanischer und aragonesischer FN in Italien eingegangen werden. Es handelt sich hierbei lediglich um quantitative Ergebnisse der Analyse, welche in Punkt 4.4 qualitativ interpretiert werden. In jedem der folgenden drei Abschnitte wird sowohl die Verbreitung der häufigsten Familiennamen des jeweiligen Gebiets (Spanien, Kastilien, Katalonien mit Aragonien) als auch die der häufigsten des jeweiligen etymologischen Ursprungs (allgemein spanisch, kastilisch, katalanisch mit aragonesisch) dargestellt. Punkt 4.3.1 behandelt somit beispielsweise die Verbreitung der häufigsten FN Gesamtspaniens in Italien sowie die dortige Präsenz der häufigsten Namen allgemein spanischen Ursprungs. Nach einer allgemeinen Betrachtung des betreffenden Gebiets, findet die genauere Untersuchung einzelner geographisch auffälliger Namen statt, wobei versucht wird, diese auf die prägnantesten zu begrenzen. Dabei werden Namen, die Störfaktoren darstellen (Zugehörigkeit zur spanischen und italienischen Sprache) außer Acht gelassen. Teilweise finden diese dann an späterer Stelle Eingang in die historische Interpretation. Die genaue Verbreitung aller untersuchten Namen in Italien (sofern in einer oder mehr Gemeinden präsent) ist den Karten, die im Anhang enthalten sind, zu entnehmen, da im Rahmen der Arbeit nicht jeder einzelne vorgestellt werden kann.

4.3.1. Allgemein spanische Familiennamen

Zunächst findet eine Betrachtung der häufigsten Familiennamen in Spanien (SP) und deren Verbreitung in Italien (IT) statt. Darunter fallen alle Namen allgemeiner, kastilischer oder katalanisch-aragonesischer Herkunft. Von den 400 untersuchten Namen, kommen 205 (ca. 51 %) in 10 oder mehr Gemeinden Italiens vor. Die meisten der FN, die in min. einer Gemeinde präsent sind (368), sind kastilischen (239) oder allgemein spanischen (94) Ursprungs und lediglich 34 katalanisch bzw. aragonesisch. Vorweg soll ein kurzer Blick darauf geworfen werden, wie die 10 häufigsten untersuchten FN Spaniens in Italien verteilt sind. Die Rangliste Spaniens beläuft sich demnach auf Garcia (García) (SP: 1.478.972; IT: 91), Gonzalez (González) (SP: 931.906; IT: 45), Rodriguez (Rodríguez) (SP: 929.877; IT: 183), Fernandez (Fernández) (SP: 924.010; IT: 168), Lopez (López) (SP: 876.144; IT: 447), Martinez (Martínez) (SP: 838.636; IT: 257), Sanchez (Sánchez) (SP: 820.687; IT: 48), Perez (Pérez) (SP: 783.320; IT: 256), Gomez (Gómez) (SP: 494.080; IT: 47) und Martin (Martín) (SP: 492.521; IT: 593). Betrachtet man dazu die Karten, fällt auf, dass der Großteil vorwiegend um Mailand, Rom und Neapel vorkommt. V. a. Lopez ist sehr präsent in ganz Italien. Ein weiterer Verdichtungsraum ist zudem Turin bzw. bisweilen der Süden sowie die Inseln Sizilien und Sardinien (vgl. CD „Häufigste Spanien“).
Die 10 Namen, die am häufigsten in den italienischen comuni auftreten sind Costa, Serra, Franco, Guerra, Villa, Sala, Rosa, Ventura, Oliva und Palma, wie Abbildung 2 zu entnehmen ist.
Die Plätze Eins und Zwei wurden mit katalanischen Wurzeln gekennzeichnet. Während Serra die katalanische Form von Sierra darstellt (vgl. Faure et al. 2009: 695) wird Costa als „evidente [de] orígen toponímico“ (ebd.: 279) des gesamtspanischen Gebiets, jedoch als „sobre todo [de] linaje de origen catalán“ (ebd.) bezeichnet. In einer späteren qualitativen Interpretation könnte dieses Ergebnis als durchaus wertvoll für die Fragestellung nach der historischen Deutung spanischer FN in Italien gelten, jedoch ist anzumerken, dass viele Namen (darunter auch diese 10 häufigsten) sowohl der spanischen, als auch der italienischen Sprache zugeordnet werden können. Beispielsweise wird Franco im Diccionario de apellidos españoles (Faure et al. 2009) als ein zu Francus latinisierter Name germanischen Ursprungs (Frank) vorgestellt. Es wird darauf verwiesen, dass derzeit der Taufname Franco in Spanien nicht existiert, in Italien jedoch schon (vgl. ebd. 354). Daraus lässt sich schließen, dass die extrem hohe Präsenz in Italien vermutlich v. a. auf die italienische Form zurückzuführen ist. Bezüglich Rosa wird angemerkt, dass es sich vermutlich nicht um ein Derivat der Blumenart handelt sondern eine Fehlschreibung des Toponyms Roza (vgl. ebd.: 559 f.). Bekannterweise trägt die Blume im Italienischen denselben Namen und erklärt auch so die hohe Frequenz in Italien. Ähnlich ist es bei Sala und Palma, welche als spanische FN in erster Linie von Ortsnamen abstammen (vgl. ebd.: 578/672), aber im Italienischen dieselbe Schreibweise haben und als Wörter im betreffenden Wortschatz vorkommen (it./sp. sala ‘Saal, Halle’; it./sp. palma ‘Palme, Handfläche’). So sind auch it./sp. costa ‘Küste’, it. serra ‘Gewächshaus’, it./sp. guerra ‘Krieg’, it./sp. villa ‘Villa’, it./sp. ventura ‘Glück’ und it./sp. oliva ‘Olive’ Teil der Lexik bzw. Topographie beider Länder. Einflüsse dieser Art auf die Analyse werden auch bei weiteren Namen der Liste erkannt, sollen hier jedoch nicht detailliert dargestellt werden. Diese 10 FN sind alle v. a. im Norden/Nordwesten stark vertreten (Mailand, Piemont). Jedoch werden auch die Gegenden um Neapel, Rom und Apulien als eindeutige Ballungszentren erkennbar. Auf Sizilien auffallend sind Costa, Ventura und Oliva. Die katalanischen Formen Costa und Serra zeigen zudem eine deutliche Präsenz auf Sardinien.
Zur kartographischen Verteilung in Italien wird aus der mit Photoscape gestapelten „Final-Karte“ folgendes Bild erkennbar: Aus der Zwischenspeicherung bis Velasco (gefolgt von Ventura als Störfaktor) werden v. a. die Gebiete Neapel, Rom, Mailand und Turin mit einer hohen Dichte deutlich. Auch die Städte Florenz, Bologna und Genua stechen hervor; schwächer, aber doch präsent scheint der gesamte Norden sowie Sizilien oder vereinzelt auch das toskanische Archipel und Sardinien. Die finale Ansicht zeigt weiterhin Mailand, Turin, Rom und Neapel als Zentren höchster Dichte. Die Inseln Sardinien und Sizilien wie auch Apulien und der Norden sind markiert. Die stärkere Färbung des Nordwestens ist hauptsächlich auf den kurz vorangegangenen Namen Villa (Störfaktor) zurückzuführen.
Unter den häufigsten FN Spaniens sind einige weitere enthalten, die bezüglich ihrer Präsenz in Italien hervorstechen. Lopez als Patronym des alten kastilischen Namens Lope (vgl. Faure et al. 2009: 473) befindet sich 2013 auf Platz fünf der häufigsten Nachnamen in Spanien als primer apellido. In der vorliegenden Analyse steht er auf Platz 27 der häufigsten spanischen Nachnamen in Italien und kommt dort in 447 Gemeinden vor. Auf der Karte wird ersichtlich, dass sich seine Distribution über das gesamte Gebiet der Apenninhalbinsel erstreckt, jedoch besonders stark in Rom, Mailand, Neapel und Apulien verdichtet. Darüber hinaus tritt er auch auf den beiden Inseln Sardinien und Sizilien auf. Daneben sticht Reina ins Auge. Die weibliche Form des kastilischen Wortes Reyes apellido bastante frecuente, lo que no deja de sorprender si tenemos presente la escasez de la mayor parte de los apellidos matronímicos” (ebd.: 641) und ist zudem der Name vieler Heiliger (vgl. ebd.). Reina tritt in Italien v. a. auf Sizilien und im Gebiet um Mailand auf. Daneben ist eine stärkere Präsenz in Kampanien, Lazio und Piemont zu erkennen. Markant sind auch die beiden Formen des spanischen Namens Martín, Martinez (Patronym) und Marti (katalanische Form Martí) (vgl. ebd.: 500 f.). Während Martinez in ganz Italien verstreut auftritt (v. a. Sizilien, Rom, Neapel, Sardinien, Mailand, Turin), findet man die katalanische Variante neben Rom am häufigsten an der Spitze des Stiefelabsatzes in Apulien wieder. Ein apellido, der v. a. im Nordosten (Friaul) vorkommt, ist Salvador, ein antiker Name, welcher auch für Jesus Christus verwendet wird (vgl. ebd.: 677).
Den Einzelkarten zu den häufigsten FN in Spanien ist zu entnehmen, dass die Gebiete um Mailand, Turin, Rom, Neapel und Sizilien meist deren Verdichtungsräume darstellen. Weitere Regionen, in denen die häufigsten Namen Spaniens oft vorkommen, sind Apulien, Sardinien, aber auch der Norden mit Ligurien und Veneto/Friaul.

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Die Recherche zu den Ursprüngen der einzelnen Familiennamen hat ergeben, dass 116 der 550 Betrachteten „allgemein“ spanischer Herkunft sind. Wie bereits in Punkt 4.3 erwähnt finden sich darunter solche, die entweder von einem spanischen Wort, welches nicht typisch für eine bestimmte Region oder Varietät (Dialekt) ist, einem antiken lateinischen, germanischen o.ä. Ausdruck bzw. Taufnamen oder religiösen Begriffen abstammen. Von diesen kommen rund 55 % (63) in mindestens 10 italienischen comuni vor. 105 davon sind in Italien in mindestens einer comune präsent und es ergeben sich damit 16.711 Gemeinden, in denen spanische FN vorkommen. Die mit Abstand häufigsten davon sind Franco (1.625), Sala (1.510), Rosa (1.477) und Palma (1.113). Die Störfaktoren der vier Namen wurden bereits am Anfang des Abschnitts erläutert. Einflüsse dieser Art auf die Analyse werden auch bei weiteren Namen der Liste erkannt, sollen hier jedoch nicht detailliert dargestellt werden. Palma, Franco und Rosa sind in ganz Italien stark vertreten, während Sala v. a. um Mailand und auf Sizilien vorkommt. Zudem sind alle vier auch auf Sardinien mehr oder weniger deutlich präsent.
Zur geographischen Verteilung der allgemein spanischen FN in Italien soll zunächst die gestapelte Karte als Gesamtübersicht betrachtet werden. Dazu wurde eine erste Fassung bis Valenzuela angefertigt, da nach diesem der Name Valle folgt, welcher eine Störvariable der oben genannten Art darstellt. Wie durch Abbildung 3 ersichtlich wird, fallen v. a. Neapel, Rom, Mailand und Turin als Ballungszentren auf. Darüber hinaus ist eine Präsenz im Norden Italiens, in Apulien sowie auf Sizilien und im Süden Sardiniens zu beobachten. Auch die finale gestapelte Karte (bis Villanueva) zeigt ein überwiegendes Aufkommen in den Gebieten Mailand, Turin, Rom und Neapel, neben weiterer Verteilung im Norden, auf Sizilien und vereinzelt auf Sardinien. Zudem kommen die Regionen Toskana, Ligurien und Emilia-Romagna stärker zur Geltung.
Bei genauerer Betrachtung geographisch auffälliger einzelner FN werden solche, die auch dem Italienischen zuzuordnen sind (Wortschatz, Ursprung etc.), außen vor gelassen. Auffallend ist zunächst der Name Castro, der v. a. auf Sizilien, in Neapel, Rom, Mailand, Turin und Apulien vorkommt. Del Rio (Del Río) und Diaz (Díaz) sind stark auf Sardinien, in Rom und im Nord-Nordwesten Italiens (v. a. Mailand) vertreten. Bei Miranda wird besonders die Präsenz um Neapel deutlich, welche durch die Gegenden um Rom, Mailand und Palermo ergänzt wird.

Gesamtbetrachtend ergeben die angehängten Einzelkarten zu den Namen allgemein spanischen Ursprungs einige Gebiete, in denen sich die apellidos häufig wieder finden. Im generell stark markierten Norden sind diese primär Mailand und Turin, teilweise auch Ligurien mit Genua, Veneto und Friaul. Auch der Süden tritt insgesamt markant hervor. Die Hauptstadt Rom beheimatet fast alle „allgemein spanischen“ FN. Außerdem ist um Neapel und auf Sizilien eine große Präsenz zu erkennen. Zum Teil kommen sie jedoch auch merklich auf Sardinien und in Apulien vor.

4.3.2. Kastilische Familiennamen

Bei Betrachtung der 181 häufigsten Familiennamen in Kastilien fällt auf, dass ein Großteil dieser auch kastilischen Ursprungs ist (rund 73 %). Lediglich 48 sind allgemein spanischer und nur einer aragonesischer Herkunft. 89 dieser Namen kommen in 10 oder mehr italienischen Gemeinden vor und sind zu ca. 69 % (61) kastilisch, der Rest allgemein spanisch. Vorweg sollen wieder die ersten 10 Namen der Rangfolge Kastiliens betrachtet werden. Diese unterscheidet sich lediglich in zwei Namen von der der häufigsten Gesamtspaniens (s. 4.4.1). An Stelle von Rodriguez und Perez tauchen hier Montero und Moreno auf. Die Liste ergibt sich wie folgt. Garcia (22.113; IT: 91), Martinez (21.975; IT: 257), Lopez (14.740; IT: 447), Sanchez (14.495; IT: 48), Montero (11.862; IT: 3), Martin (9.785; IT: 593), Gonzalez (9.586; IT: 45), Gomez (7.492; IT: 47), Fernandez (7.215; IT: 168), Moreno (6.306; IT: 144). Deren geographische Verteilung in Italien wurde im vorigen Punkt bereits erläutert. Montero trägt nicht merklich zu einer Änderung bei und bezüglich Moreno kann ein vermehrtes Auftreten in Ligurien und Neapel verzeichnet werden.
Die zwei Namen, die bezüglich ihrer Häufigkeit in Italien besonders hervorstechen, sind Franco an erster Stelle (1625), gefolgt von Moro (1432). Abbildung 5 zeigt die 10 häufigsten FN aus Kastilien in Italien. Die starke Präsenz von Franco wurde bereits im voranstehenden Punkt erläutert. Ähnlich stellt Moro einen Namen dar, welcher neben dem sp. moro ‘Maure, maurisch’ auch in der italienischen Lexik it. moro ‘dunkelhaarig, maurisch’ auftritt. Des Weiteren „son muchos y muy variados, no sólo en España sino en toda Europa los nombres y apellidos derivados del [nombre] latín Maurus” (Faure et al. 533). Beide kommen häufig im Nordwesten (Mailand, Turin, Ligurien) sowie im Nordosten (Veneto, Friaul) vor. Während Franco im gesamten italienischen Süden ein starkes Aufkommen vorweist, kann bei Moro, neben Apulien und der Gegend um Rom, eine höhere Frequenz auf Sardinien festgestellt werden.
Ein erster einzelner auffälliger Name, der keine eindeutige Zugehörigkeit zum Italienischen erkennen lässt, ist Barbero, der sich fast ausschließlich im Nordwesten Italiens, im Piemont, zeigt. Daneben findet man Blanco deutlich im Süden Siziliens. Interessant sind auch die beiden Fälle Diaz und Diez (Díez), welche Patronyme von Abwandlungen des Namens Santiago darstellen (vgl. ebd.: 682). Beide treten u.a. verstärkt im Nordwesten Sardiniens auf. Dort befindet sich die Stadt Alghero, in welcher noch heute Katalanisch eine vorherrschende Sprache ist. Die final gestapelte Karte für die Namen Kastiliens zeigt, dass die deutlichsten Punkte in Neapel, Rom und Genua zu sehen sind, jedoch auch Ballungsräume im Norden, v. a. um Turin, Mailand, Venedig und Triest auftreten. Untersucht man die einzelnen Karten, die zu den häufigsten Namen Kastiliens dem Anhang zu entnehmen sind, treten v. a. Mailand und Rom, Neapel und Turin, aber auch Sizilien als Gebiete hohen Aufkommens hervor. Es folgen Venedig, Apulien und Sardinien und auch an der Küste der Toskana finden sich bisweilen einige der Namen wieder.

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Die Anzahl an untersuchten Namen kastilischen Ursprungs umfasst insgesamt 292, wovon 131 in mindestens 10 Gemeinden Italiens auftauchen (ca. 45 %). 256 sind allgemein in Italien in mindestens einer Gemeinde präsent, welche eine Zahl von 19.962 comuni ergeben, die FN kastilischen Ursprungs beherbergen. Die fünf Spitzenreiter („IT comuni“) Guerra (1.526), Villa (1.519), Moro (1.432), Ventura (1.346) und Oliva (1.113) setzen sich erneut aus Namen zusammen, welche dem Spanischen und Italienischen angehören können. Ventura und Oliva sind über Gesamtitalien stark verbreitet, konzentrieren sich jedoch v. a. auf die Gebiete Mailand, Turin, Ligurien, Rom, Neapel, Apulien und Sizilien, wobei auch auf Sardinien ein mehr oder minder stärkeres Aufkommen zu verzeichnen ist. Eine größere Dichte auf dieser Insel ist bei Moro erkennbar, welcher sich zudem um Rom, in Apulien und im Norden häuft. Auch Villa ist neben Sizilien und Rom eher dem Nordosten anzurechnen, wobei Guerra sich von Norden bis nach Apulien stark verteilt (s. Anhang). Ein anderer auffälligre Name kastilischen Ursprungs ist Castellano. Dieser muss hier erwähnt werden, da es sich um apellidos castellanos handelt. Er kommt deshalb so häufig in Italien vor, da das Wort it. castellano ‘Burgherr’ existiert. Vermutlich sind aber trotzdem auch die spanischen Versionen in der Verteilung enthalten. Diese konzentriert sich v. a. auf den italienischen Nordwesten, Rom, Neapel, Apulien und Sizilien. Im Piemont sind Crespo und Cordero auffallend stark vertreten, Montes, Pardo und Reina dagegen auf Sizilien. Die Namen Soria und Soriano, die von einer kastilischen Stadt bzw. deren Bewohnern abgeleitet sind (vgl. Faure et al. 2009: 704), sind besonders in Neapel präsent. Hier soll noch auf den FN Exposito (Expósito) eingegangen werden. Diese Form mit -x- ist in Spanien unter den häufigsten FN zu finden und wurde deshalb in die Analyse mit aufgenommen. Darüber hinaus existiert der Name noch in einer anderen Schreibweise, Esposito (Espósito), welche in Italien ein sehr hohes Aufkommen anzeigt (2.432 comuni), in Spanien jedoch weiter unten auf der Liste steht und deshalb eigentlich nicht Teil der Analyse ist. Der Name wurde besonders seit dem 15. und 16. Jh. für Findelkinder verwendet (vgl. Faure et al. 2009: 334). Auffallend hoch ist dessen Dichte im ehemaligen Königreich Neapel, aber auch um Mailand und Turin.
Die gestapelte Karte für FN kastilischen Ursprungs (bis Vela, da die letzten Einzelkarten einige Störvariablen darstellen) zeigt Neapel und Mailand, Genua und Rom als deutlichste Punkte. Überblickt man die einzelnen Namenskarten wird folgendes Bild bezüglich der Verteilung sichtbar: Neapel, Mailand, Sizilien und Turin sind am dichtesten gekennzeichnet, gefolgt von Rom und Apulien. Stärker markiert sind jedoch auch Sardinien, Ligurien, Veneto, Friaul und die Toskana (u. a. toskanische Inseln).

4.3.3. Katalanische (und aragonesische) Familiennamen

Ausgehend von der früheren Verbindung der aragonesischen und katalanischen Provinzen zum Königreich Aragonien sind die Familiennamen beider Regionen in einem Punkt zusammengefasst. Insgesamt wurden die 400 häufigsten FN Kataloniens untersucht. Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass unter diesen mehr Namen katalanischen Ursprungs sind, als in den Ranglisten für Spanien und Kastilien. Die Gesamtzahl beläuft sich auf 118 Stück, was ca. 30 % entspricht. 85 sind allgemein spanischen Ursprungs (ca. 21 %), 192 sind kastilische Formen (48 %). Die 10 Spitzenreiter sind fast deckungsgleich mit den häufigsten Gesamtspaniens: Garcia (170.614; IT: 91), Martinez (119.026; IT: 257), Lopez (114.235; IT: 447), Sanchez (102.896; IT: 48), Rodriguez (99.982; IT: 183), Fernandez (97.425; IT: 168), Perez (92.821; IT: 168), Gonzalez (91.457; IT: 45), Gomez (56.495; IT: 47). Lediglich Ruiz (50.077; IT: 53) tritt erstmals auf. Deren geographische Verteilung in Italien ist Punkt 4.4.1 zu entnehmen. Ruiz findet man v. a. in Mailand, Turin und im Süden Siziliens.
Die Liste der häufigsten Namen Aragoniens fällt am kürzesten aus. Sie beläuft sich lediglich auf 81 Stück, von welchen 16 aragonesischer Herkunft sind (ca. 20 %), was im Vergleich zu den anderen analysierten Regionen eine hohe Anzahl ist. Von den 16 kommen jedoch nur vier in mehr als 10 italienischen comuni vor. Die restlichen Namen sind überwiegend kastilisch.
Die FN aus Katalonien, die am stärksten in Italien präsent sind, sind Costa, Serra, Franco, Guerra, Sala, Rosa, Ventura, Oliva, Palma und Pinto (Abb. 8). Da auch diese bis auf eine Ausnahme (Pinto statt Villa) mit der Verteilung der häufigsten FN Gesamtspaniens in Italien übereinstimmen und deren Verteilung bereits unter 4.3.1 dargestellt wurde, soll hier nur nochmals auf die ersten fünf eingegangen werden. Sie kommen alle äußerst frequentiert im Norden bzw. Nordwesten sowie in Rom und Neapel vor. Costa, Franco und Sala erscheinen darüber hinaus stark auf Sizilien; bei Serra (katalanischer Ursprung) erkennt man eine hohe Dichte auf Sardinien. Gilt es nun, Namen zu betrachten, welche neben dem Spanischen nicht dem Italienischen zugeordnet werden können, stechen Blanco und Blasco hervor, da sie meist im Nordwesten (Mailand bzw. Piemont) und auf Sizilien vorkommen. Weil viele der insgesamt untersuchten Namen auf der Insel Sardinien nur begrenzt erscheinen, sind hier Carreras (kat. Form), Farre (kat. Form Farré) und Peralta (arag. Form) zu nennen. Marti erscheint v. a. ganz im Süden Apuliens und bei Ros fällt die Konzentration im Nordosten Italiens auf.
Zusammenfassend ergeben die einzelnen Karten zu den häufigsten Namen Kataloniens, eine markante Präsenz im Süden Italiens. Neben den Gebieten um Mailand und Turin sind besonders Neapel, Sizilien und Rom, aber auch Apulien und Sardinien hervorzuheben. Bisweilen kommen die Namen auch stärker im Nordosten und Ligurien vor. Auch in der Toskana stechen einzelne hervor.

Da Aragonien im Rahmen der Arbeit lediglich eine Ergänzung für Katalonien darstellen soll, wird an dieser Stelle nur auf einen Gesamtüberblick über die geographische Verteilung der Namen der Region eingegangen. Detaillierte Häufigkeiten und Verteilungen in Italien sind den angehängten Tabellen und Abbildungen zu entnehmen. Bei der finalen Ansicht der häufigsten FN Aragoniens treten (wie bei der „Final-Karte“ zu Katalonien) v. a. Mailand, Neapel, Rom und Genua hervor. Auch um Bari, Turin, Venedig und Triest verdichten sie sich verstärkt. Die Einzelansichten können dieses Bild um eine höhere Dichte auf Sizilien und Sardinien ergänzen.

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Im Unterschied zum ersten Teil dieses Abschnitts erfolgt die Untersuchung der FN katalanischen und aragonesischen Ursprungs kombiniert für beide Kategorien. Wie eingangs in Punkt 4.3 erwähnt, geschieht dies aufgrund der sprachlichen, aktuell jedoch nicht geographischen Verbindung der Regionen Aragón und Cataluña. Außerdem ist nur eine geringe Anzahl aragonesischer Namen in Italien präsent.
Von den 550 analysierten Familiennamen besitzen 121 katalanische, und 21 aragonesische Wurzeln. Das ergibt eine Gesamtzahl von 142, von welchen 45 (5 arag., 40 kat.) in mindestens 10 italienischen Gemeinden auftreten (ca. 32 %), also lediglich rund ein Drittel. 102 kommen in mind. einer Gemeinde vor und ergeben so 9.074 comuni mit katalanischen und aragonesischen FN. Die beiden präsentesten sind zum einen katalanischen Ursprungs, zum anderen jedoch Namen, die auch von der italienischen Lexik abgeleitet werden könnten. So kommt Costa in 2.560 und Serra in 1.825 comuni vor. Beide sind in Italien äußerst stark vertreten. Bei Costa ist eine hohe Konzentration im Norden und auf Sizilien auffallend. Zudem häuft sich der Name um Rom und Neapel. Serra hingegen sticht durch die fast vollständig rot gefärbte Insel Sardinien ins Auge.
Die final gestapelte Karte zeigt die Verdichtungsräume der Namen um Neapel, Mailand, Turin und Rom. Darüber hinaus sind v. a. Sardinien, aber auch Sizilien und der Nordosten Italiens hervorzuheben, was auch durch den Blick auf die einzelnen Karten bestätigt wird.

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Die ersten Ergebnisse der Analyse zeigen, dass von den insgesamt 550 untersuchten spanischen FN 463, also ca. 84 %, in insgesamt 45.747 comuni in Italien vorkommen, davon 240 in 10 oder mehr Gemeinden. Nachdem in diesem Abschnitt auf die quantitative Präsenz allgemein spanischer, kastilischer und katalanisch-aragonesischer FN in Italien und deren dortige geographische Verbreitung eingegangen worden ist, folgt im nächsten Punkt ein zusammenfassendes Zwischenergebnis der gewonnenen Erkenntnisse. Darüber hinaus sollen diese auf Basis der im theoretischen Teil dieser Arbeit behandelten Informationen über die frühere und heutige Verbindung zwischen Spanien und Italien historisch interpretiert werden.

4.4. Historische Deutung und Interpretation

Bevor die quantitativen Ergebnisse, die durch GENS erhalten worden sind, historisch gedeutet werden, möchte ich darauf eingehen, ob die daraus resultierenden Ballungszentren der spanischen FN in Italien die Gebiete sind, welche früher zur Italia Spagnola gehört hatten.
Aus den Gesamtergebnissen der GENS-Suche ist zu erkennen, dass die häufigsten FN Spaniens besonders um Mailand und Neapel, jedoch auch auf Sizilien und Sardinien auftreten. Die FN allgemein spanischen Ursprungs weisen u. a. erneut Mailand und Neapel als Gebiete hoher Dichte auf, dazu sind Apulien, Sizilien und z. T. Sardinien signifikant. Es wird hier bereits deutlich, dass die allgemein spanischen FN, sei es bezüglich ihrer Häufigkeit in Spanien oder ihres Ursprungs als solche, neben anderen wenigen Gebieten in Italien besonders dort zu finden sind, wo zwischen dem 16. und dem 18. Jh. die Italia Spagnola zu verorten war. Auch die häufigsten FN der Region Kastilien (Castilla y León, Castilla La Mancha mit Madrid) finden sich meist in der früheren Italia Spagnola wieder. Insbesondere die Gebiete um Mailand, Neapel und Sizilien treten deutlich hervor, demnach die früheren Due Sicilie. Hinzu kommen Apulien und Sardinien. Da die meisten dieser Namen bereits auch kastilischen Ursprungs sind, verwundert nicht, dass auch sie (origen castellano) am präsentesten in denselben fünf Gebieten sind. Die häufigsten FN des Gebietes Katalonien-Aragonien kommen verdichtet in Süditalien vor. Neben Mailand stechen Neapel sowie erneut Sizilien und Sardinien hervor. Die FN katalanisch-aragonesischen Ursprungs verteilen sich gleichwertig besonders um Mailand, Neapel, Sizilien und Sardinien, gefolgt von Apulien. Somit lässt sich auch hier bei der globalen Übersicht bereits erkennen, dass die untersuchten Familiennamen fast alle in den Gebieten der Italia Spagnola (Fürstentum Mailand, Sardinien, Sizilien, Königreich Neapel, Stato dei Presidi) aktuell präsent sind. Daneben fällt v. a. auf, dass fast jeder Name auch in Rom auftritt, einige ebenso um Turin oder bisweilen in der Toskana. Dass die FN kastilischen Ursprungs insgesamt am häufigsten in Italien vorkommen (20.007 comuni), deutet vermutlich darauf hin, dass das castellano im 18. Jh. zur Amtssprache Spaniens wurde und sich somit auch die kastilischen Schreibweisen durchsetzten bzw. zu bestimmten Zeiten Pflicht waren, da die regionalen Varietäten als minderwertig galten (vgl. Brumme 2003: 269 ff.). Aus demselben Grund belaufen sich die katalanisch-aragonesischen FN auf die geringste Zahl in Italien (9.074 comuni), da sie auch in Spanien nicht sehr häufig sind.
Nun werfen wir zunächst einen genaueren Blick auf die einzelnen analysierten FN und deren geographische Distribution, um zu sehen, ob es für einzelne Regionen der Italia Spagnola auffallende FN gibt und wenn ja, welchem Ursprung bzw. welcher spanischen Region (Gesamtspanien, Kastilien, Katalonien mit Aragonien) diese zuzuordnen sind. Allgemein kann gesagt werden, dass die analysierten FN heute zumeist um Mailand und um Neapel bzw. im ehemaligen Königreich Neapel zu verorten sind. Dem folgen Sizilien, Sardinien und der Stato dei Presidi an der toskanischen Küste. FN, welche nur selten in Italien vertreten sind, sind oftmals auch in den betreffenden Regionen präsent.
Aus der Tabelle, welche die in der Italia Spagnola vorkommenden FN auflistet, ergibt sich, dass in der Gegend des ehemaligen Fürstentums Mailand die meisten spanischen FN zu finden sind (321). Deren Anteile zeigen sich hier. 56 % der FN in Mailand sind kastilischen, 24 % allgemein spanischen- und 20 % katalanisch-aragonesischen Ursprungs. Für das ehemalige Königreich Neapel wird ein ähnliches Verhältnis deutlich. 57 % der dortigen spanischen FN sind kastilischen-, 26 % allgemein spanischen- und 17 % katalanisch-aragonesischen Ursprungs. Die Verteilung für Sizilien zeigt 52 % kastilische FN, 33 % allgemein spanische FN und 15 % katalanisch-aragonesische FN; Sardinien besteht zu 46 % aus kastilischen-, zu 32 % aus allgemein spanischen- und zu 22 % aus katalanisch-aragonesischen FN. Der Stato dei Presidi, in dem die wenigsten FN präsent sind teilt sich in 34 % (kast.), 52 % (allg. sp.) und 14 % (kat.-arag.) auf. Grob gesehen ergeben die Tabellen also eine mehr oder weniger ähnliche Aufteilung. Bis auf den Stato dei Presidi, in dem die allgemein spanischen FN den größten Anteil ausmachen, herrschen eindeutig die kastilischen FN in den Gebieten der ehem. Italia Spagnola vor. Den kleinsten Prozentsatz machen jeweils die katalanisch-aragonesischen aus. Besonders gering ist deren Präsenz im Stato dei Presidi, auf Sizilien und im Königreich Neapel (14 %, 15 %, 17 %). Mailand steht mit 20 % an zweiter Stelle und deren anteilig höchste Präsenz ist auf Sardinien (22 %) zu verorten.
Dieses Ergebnis war zu erwarten, wenn man bedenkt, dass Sardinien das einzige italienische Gebiet ist, welches noch vor der Vereinigung der Corona de Aragón mit Kastilien offiziell von den Spaniern erobert und zum Vizekönigreich wurde. So konnten einerseits die katalanische Sprache, andererseits die katalanische Bevölkerung eine wichtige Rolle auf der Insel einnehmen. Wie zu Beginn der Arbeit bereits erläutert ist die Sprache auch heute noch in Alghero (Nordwesten Sardiniens) in Gebrauch. Der geringere Einfluss des Kastilischen, das sich besonders auf Sizilien und am Hofe Neapels durchsetzte, kann vermutlich auch auf die geographische Abgeschottetheit Sardiniens von den Gebieten auf dem Festland zurückgeführt werden. Es kann zudem angenommen werden, dass die Region durch die Etablierung einer katalanischen Gesellschaft ein besonders attraktives Ziel für katalanische Immigranten zu der damaligen Zeit oder sogar noch heute darstellt. Aus demselben Grund herrschen vermutlich die kastilischen FN im ehemaligen Königreich Neapel sowie im früheren Fürstentum Mailand vor. Die beiden Hauptsitze der spanischen Krone in Italien zogen wohl vermehrt kastilische Einwanderer an, da dort auch die zugehörige Sprache eine große Bedeutung hatte. Dazu muss erwähnt werden, dass jedoch auch zahlreiche katalanische Adelsfamilien nach Neapel migrierten und ihre FN „importierten“. An dieser Stelle kann man sich die Frage stellen, weshalb die katalanisch-aragonesischen FN jeweils nur einen so geringen Anteil an der Gesamtzahl der spanischen FN in den ehemaligen Gebieten der Italia Spagnola ausmachen. Eine Antwort darauf kann sein, dass bis zur heutigen Zeit des 21. Jh. die katalanischen Namensformen schlichtweg durch natürliche Prozesse dezimiert wurden. Dadurch, dass Kastilisch die Amtssprache ganz Spaniens wurde, setzten sich vermutlich auch die dementsprechenden Schreibweisen der Namen durch. Die Möglichkeit, diese wieder in die ursprüngliche katalanische Variante umschreiben zu lassen (s. Punkt 3.2), wurde evtl. nur von einem geringen Teil der Bevölkerung wahrgenommen.
In einem nächsten Schritt habe ich die häufigsten Namen der jeweiligen spanischen Region den Gebieten der Italia Spagnola zugeordnet. Da für Kastilien und Aragonien nur kürzere Ranglisten verfügbar waren, konnte nur eine Unterteilung in Spanien und Katalonien stattfinden. Durch Überschneidungen beim Großteil der 400 häufigsten FN in beiden Territorien, konnte kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden, weil die Anteile ca. hälftig ausfielen. Es wird angenommen, dass auch bei Hinzunahme Kastiliens und Aragoniens (insofern eine Liste mit 400 FN vorhanden gewesen wäre), die Anteile für alle vier Regionen mehr oder minder gleich ausgefallen wären. Diese Vermutung kann durch einen Blick auf die entsprechende Tabelle von INE, welche die 50 häufigsten FN für alle spanischen Provinzen anzeigt, bestätigt werden, da daraus ersichtlich wird, dass die Listen zum Großteil dieselben FN enthalten. Deshalb beschränke ich mich im Folgenden auf die etymologischen Ursprünge der FN in den Gebieten der ehem. Italia Spagnola.
Um den Rahmen der Arbeit nicht zu überschreiten, kann nur auf eine Auswahl einzelner FN genauer eingegangen werden, wobei ich versucht habe, die markantesten und auffälligsten, aber auch zumeist solche, die keine Störfaktoren aufgrund ihrer italienischen und spanischen Schreibweise darstellen, auszuwählen. Die Distribution der übrigen spanischen FN in Italien ist den Namenkarten im Anhang zu entnehmen.
Für das ehemalige Fürstentum Mailand ist ein erster auffälliger FN Carrera, welcher von dem antiken Wort carrera (sp. carretera, dt. ‘Landstraße’) abstammt (vgl. Faure et al. 2009: 220). Der Name ist in Italien in 482 Gemeinden vertreten und besonders in der Lombardei bildet sich eine Traube um die Stadt Mailand. Das Wort ist eigentlich nur der spanischen Lexik zuzuordnen. Die hohe Präsenz des Namens kann nicht exakt gedeutet werden, ein Zusammenhang mit italienischen Modemarken (Jeans, Sonnenbrillen) wäre vermutlich zu weit hergeholt, obwohl Mailand als Stadt der Mode diese Erklärung begünstigen würde. Auch Molina sammelt sich vermehrt in diesem Gebiet an. Er kommt von dem Toponym Molina, welches in verschiedenen spanischen Regionen existiert und wohl aus dem Lateinischen molina ‘Haus der Mühlsteine’ kommt (vgl. ebd.: 521). Durch diese Wurzel kann sich der FN auch in Italien erhalten haben und weist evtl. auf eine frühere Existenz zahlreicher Mühlen um Mailand herum hin. Der FN Olivares ist eine Abwandlung des Toponyms Oliva und bezieht sich auf den Olivenbaum. Da der Norden Italiens eher weniger typisch für deren Anbau ist, sind evtl. Migrationsbewegungen vom Süden aus anzunehmen. Auf den Einfluss solcher auf die Ergebnisse der Analyse soll jedoch an späterer Stelle in diesem Kapitel detailliert eingegangen werden. Ortega leitet sich von einem kastilischen Wort ab und bezieht sich auf Nesselpflanzen (vgl. ebd.: 568). In Mailand gibt es ein Stadtviertel, welches Ortica (it. ‘Nessel’) heißt (vgl. tuttocitta.it). Die dortige Präsenz des kastilischen FN kann evtl. darauf zurückgeführt werden, dass der Stadtbezirk von den Spaniern gegründet oder durch ihre Präsenz im Fürstentum namentlich beeinflusst und später italianisiert worden ist. Ein letzter FN, welcher genauer beleuchtet werden soll ist Reina. Er weist in Italien eindeutig zwei Ballungszentren auf – Sizilien und Mailand – und ist in Spanien relativ häufig, während andere Matronyme (Ableitung des Namens der Mutter zur Benennung der Nachkommen) sehr selten sind. Als weibliche Form von rey ‘König’ kann er vielleicht auf Nachkommen der spanischen Adelsfamilien, welche sich im Fürstentum Mailand ansiedelten, zurückgeführt werden.
Das hohe Aufkommen spanischer FN in diesem Gebiet zeigt höchstwahrscheinlich ein Fortbestehen der Spuren, welche die Spanische Krone in der italienischen Bevölkerung durch ihre Herrschaft seit dem 16. Jh. hinterlassen hat. Im Jahr 2013 lebten 1.247 Spanier in Mailand, welche nicht die italienische Staatsbürgerschaft besitzen. Das macht einen Anteil von lediglich 0,64 % der gesamten Einwohnerzahl aus, was sehr wenig scheinen mag (vgl. tuttitalia.it). Man muss sich jedoch vor Augen führen, dass die Nachkommen der Spanier, die zur Zeit der Italia Spagnola nach Italien gekommen waren und dort geblieben sind, heute die italienische Staatsbürgerschaft tragen, wenn sie dort geboren wurden.

Auch im ehemaligen Königreich Neapel, sprich dem kompletten Süden des italienischen Festlandes, finden sich noch heute zahlreiche spanische FN, von welchen wieder einige markante genauer betrachtet werden sollen. Hier wäre zunächst Cervera zu nennen, der fast ausschließlich in Kampanien im Umfeld der Stadt Neapel vorkommt. Er wird als typisch für Kastilien, Aragonien, Katalonien und Valencia beschrieben (vgl. Faure et al 2009: 239), was die Annahme, dass er noch heute, von den damaligen Einwanderern importiert, fortbesteht, bestätigen kann. Auch Miranda lässt dasselbe Gebiet ins Auge stechen. Dieser Name ist von einem in Spanien weit verbreiteten Toponym abgeleitet, existiert jedoch auch als FN in Italien (vgl. ebd.: 520 f.). Umso erstaunlicher ist es, dass er sich so stark auf Neapel konzentriert, da der italienische Ort Miranda sich in Molise, weiter nordöstlich der Stadt befindet (vgl. Google Maps). Es kann sich also entweder um Land-Stadt-Migration des ital. FN Miranda oder um die Präsenz der span. Miranda im ehem. Königreich Neapel handeln. Auch Oliver (Abb. 22) und Olive (Olivé) (Abb. 23) als katalanische Varianten von Oliva konzentrieren sich auf den Süden (vgl. Faure et al. 2009: 561 f.). So wird Oliver besonders um die Stadt Neapel, Olive in Apulien lokalisiert. Des Weiteren verdichtet sich die katalanische Form Roca besonders in Teilen Apuliens und im Umland der kampanischen Hauptstadt. Zudem sind Soria (Abb. 24) und Soriano (Abb. 25) „[d]el topónimo Soria, histórica ciudad castellanay capital de la provincia del mismo nombre“ (ebd.: 704) zu nennen, welche die Präsenz ihrer Einwohner im italienischen Territorium des Königreichs Neapel anzeigen könnten. Zuletzt soll noch die Variante Esposito (Abb. 26) des FN Exposito (Abb. 27) genannt werden. Deren historische Deutung stellt eine Ausnahme dar, da sich die Form eigentlich nicht unter den nach Häufigkeit in Spanien vorkommenden ausgewählten FN befindet. Wie innerhalb der quantitativen Ergebnisse bereits erwähnt ist die Schreibweise mit -s- in Spanien wenig geläufig, in Italien jedoch umso mehr, v. a. im südlichen Teil des Festlands. Darüber hinaus findet man die Form jedoch verstärkt um Mailand, auf Sizilien, auf Sardinien, aber auch im Stato dei Presidi. Diese Tradition, Findelkinder so zu benennen, gab es auch in Italien und Bizzocchi (2014: 183 f.) legt dar, dass der Nachname Esposito für Findelkinder v. a. in Neapel verwendet wurde. Somit kann hier nicht wirklich auf die historische Verbindung durch die Italia Spagnola geschlossen werden. Welchen Anteil die spanischen Esposito dabei ausmachen (welche evtl. auch im Rahmen einer Italianisierung von Exposito zu Esposito geändert wurden), bedürfe einer tiefer gehenden Nachforschung.
Es wird deutlich, dass für das ehemalige Königreich einige FN katalanischen Ursprungs markant erscheinen, was vermutlich auf die hohe katalanisch-aragonesische Bevölkerungsdichte der neapolitanischen Oberschicht im 16. und 17. Jh. zurückzuführen ist und auch hier Rückschlüsse auf die historische Verbindung der beiden Nationen zulässt. Betrachtet man die prozentualen Anteile spanischer Staatsbürger, die heute in den früheren Gebieten des Königreichs leben, ergibt sich, dass diese in jeder der Regionen (Abruzzo, Basilicata, Calabria, Campania, Molise, Puglia) lediglich zwischen 0,22 % (Calabria) und 0,36 % (Puglia) betragen (vgl. tuttitalia.it).

Werfen wir nun einen Blick auf den zweiten Teil der Due Sicilie, die Insel Sizilien. Die FN Blanco und Calvo zeigen eine ähnliche Distribution in Italien. Neben dem Nordwesten (Piemont und Lombardei), erscheinen sie v. a. im Süden Siziliens (um Siracusa, Ragusa und Catania). Beide sind mittelalterliche Personennamen und beschreiben das Aussehen. So steht blanco vermutlich für eine helle Hautfarbe und calvo für Menschen mit wenig Haaren (vgl. Faure et al. 2009: 153/194 f.). Da helle Hauttypen meist den Bewohnern nördlicher Regionen zugesagt werden, könnte man darauf schließen, dass die beiden Namen nach Sizilien eingeführt wurden. Da es sich eindeutig um spanische Formen handelt, geschah dies wohl auch von Spanien aus. Castro ist als Derivat des antiken Wortes castrum ‘befestigtes Lager’ auch ein Toponym in Castilla-León (vgl. ebd.: 230 f.). Auch Montes kommt v. a. auf der Insel vor und stammt von der Bezeichnung kastilischer Völker (Montes de Valdueza, Montes de Quijada etc.) ab, welche den Namen wohl mit sich nach Italien brachten (vgl. ebd.: 525 f.). Zu guter Letzt weisen die FN Pardo und Perez (kastilisches Patronym [vgl. ebd.: 588 f.]) in der Gesamtansicht die höchste Frequenz auf Sizilien auf.
Somit treten auch in dieser Region der Italia Spagnola noch heute zahlreiche spanische FN auf, obwohl die spanischen Staatsbürger 2013 auf Sizilien nur einen Anteil von 0,29 % ausmachten (vgl. tuttitalia.it).

Auch auf Sardinien gibt es einige FN, die durch ihr Vorkommen auf der Insel auffallen. Besonders interessant ist es, wenn solche in Alghero, der „katalanischen“ Stadt vorkommen. Ara wäre z. B. ein solcher Fall. Bis auf Bologna ist der Name auf dem italienischen Festland nicht stark verbreitet, tritt jedoch auf Sardinien, v. a. im Nordwesten um Alghero und Sassari, auf. Es handelt sich hierbei um einen FN aragonesischen Ursprungs, der in Spanien nicht sehr häufig ist (vgl. Faure et al. 2009: 70). Auch Cano, Del Rio und Diez als nicht-katalanische Formen sammeln sich vorwiegend in diesem Gebiet an. Farre ist bezüglich der Italia Spagnola wirklich ausschließlich auf Sardinien, besonders im Norden, präsent. Martinez ist in ganz Italien verteilt, verdichtet sich jedoch auf der Insel erneut um Alghero. Ein interessantes Bild erzeugt die Namenkarte zu Peralta als arag. Toponym. Auch dieser Name kommt primär im Nordwesten Sardiniens, aber auch im Nordwesten Siziliens vor. Es scheint fast, als häufe er sich dort an der Stelle, die Sardinien am nächsten ist. Nun soll noch der FN Serra die katalanische Form des kast. FN Sierra, genauer betrachtet werden, obwohl es sich um einen Namen handelt, welcher auch ein italienisches Wort repräsentiert. Er ist über ganz Italien stark verteilt und präsent (vgl. ebd.: 695). Besonders deutlich wird jedoch die Dichte auf Sardinien, was darauf schließen lässt, dass die katalanische Form bei der kartographischen Distribution die Italienische z. T. zahlenmäßig übertrifft.
Sardinien ist bezüglich der historischen Deutung spanischer FN in Italien ein interessantes Gebiet. Wie bereits erwähnt hat hier das Katalanische besonders starken Einfluss ausgeübt, der bis heute noch im kulturellen Bereich und v. a. in der Sprache zu erkennen ist. Das spiegelt sich auch in der stärkeren Präsenz der katalanischen FN wider, was offenbar davon zeugt, dass die Insel für die Katalanen gerade deshalb ein attraktiver Wohnort war bzw. noch immer ist. Von allen 550 untersuchten FN kommen nicht wirklich viele zahlreich auf der Insel vor, wenn dies aber der Fall ist, können sie mit großer Wahrscheinlichkeit ein Zeugnis der vergangenen spanischen Herrschaft darstellen. Analog zur sprachlichen Situation auf der Insel, bei welcher das Katalanische im Vergleich zum Kastilischen überwiegt und nie wirklich verdrängt wurde, ist auch das Aufkommen der FN. Namen kastilischen Ursprungs sind vermehrt auf dem Festland zu finden, während die katalanischen sich auf der Insel sammeln. Der nach wie vor spanische Charakter Sardiniens zeigt sich auch in dem aktuellen Anteil spanischer Staatsbürger, welcher 2013 0,79 % betrug und damit mehr als doppelt so hoch ist wie in den restlichen Gebieten der Italia Spagnola.

Zuletzt sehen wir uns den Stato dei Presidi an der toskanischen Südküste an. Hier sind die wenigsten spanischen FN im Vergleich zu den vorher beleuchteten Gebieten vorzufinden. Meist kommen diese laut GENS auch nur mit einer Häufigkeit von 1-5 comuni vor, trotzdem stechen zwei Namen durch eine höhere Präsenz hervor. Nieto und Velasco sind tatsächlich in diesem Gebiet am häufigsten in ganz Italien vertreten. Sie sind sowohl im Norden als auch im Süden vereinzelt präsent und erreichen im Stato dei Presidi ihr Maximum mit einer Frequenz von 10-50 comuni. Da das Gebiet nur eine sehr kleine und zerstreute Fläche der Region darstellt, ist es schwer zu sagen, wie viele Spanier derzeit dort leben. Auf der Webseite tuttitalia.it sind demografische Daten für die Gemeinde Monte Argentario, welche im Stato dei Presidi liegt, abzurufen. 2013 waren 0,35 % der Einwohner spanische Staatsbürger. Dies ist eine absolute Zahl von zwei Einwohnern gemessen an den insgesamt 564 ohne italienische Staatsbürgerschaft. Das ist erneut ein Zeichen dafür, dass die dort aktuell existenten – von italienischen Staatsbürgern getragenen – spanischen FN, welche entweder durch Heirat und andere Gründe dort Einzug fanden, Relikte der vergangenen spanischen Herrschaft in der Italia Spagnola darstellen.

Interessant zu sehen ist, dass die Namen, welche sowohl spanische, als auch italienische FN darstellen können, sich zum Großteil in den damals spanisch dominierten Gebieten verdichten. Betrachtet man den Namen Alba, der gleichzeitig dem spanischen sowie italienischen Wortschatz zugehörig ist, erkennt man zunächst eine Verteilung über das gesamtitalienische Gebiet. Es stechen jedoch neben dem Nordosten und dem Piemont besonders Sizilien, Apulien und der Süden Sardiniens ins Auge. Auch in Mailand und Neapel kann eine dichtere Präsenz festgestellt werden. Auch bei Barba (it./sp. barba ‘Bart’) ist deutlich zu sehen, dass die Ballungsräume um Neapel, in Apulien und auf Sizilien liegen. Daneben kommt der FN auch um Mailand vermehrt vor. Campo zeigt eine weitere hohe Dichte auf Sizilien und in Mailand an. Dies könnte jedoch daran liegen, dass auf der Insel viel Landwirtschaft betrieben wird und damit zahlreiche campi (‘Felder’) bewirtschaftet werden. Clemente ist sowohl ein italienischer als auch spanischer Name und in ganz Italien verteilt, besonders jedoch in den ehemaligen Due Sicilie (Sizilien und Königreich Neapel). Auch Pino und Pinto sowie Sole (kat. Solé) sind auffallend im Süden (Sizilien und ehem. Königreich Neapel) vertreten. Porta (it. porta ‘Tür’) ist zugleich eine katalanische Form des kast. Puerta (vgl. Faure et al. 2009: 615 f.). Neben einer hohen Frequenz im Piemont, stechen jedoch v. a. Mailand, Neapel, Apulien und Sizilien heraus. Zudem erscheint er im Stato dei Presidi sowie vermehrt im Süd-Südwesten Sardiniens. Castellano muss hier ebenfalls aufgelistet werden. Der Name ist auf das Toponym Kastiliens zurückzuführen, welches neben Katalonien und Aragonien das Hauptherkunftsgebiet der spanischen Einwanderer in die Italia Spagnola darstellt. Dementsprechend ist er in all diesen Gebieten präsent, insbesondere im Königreich Neapel und auf Sizilien, jedoch auch um Mailand, auf Sardinien und im Stato dei Presidi. Obwohl das Wort castellano auch im Italienischen (‘Burgherr’) existiert, ist doch hervorzuheben, dass sich der Name, bis auf Turin und Rom, v. a. in den damals spanisch dominierten Regionen verdichtet.
An dieser Stelle möchte ich genauer auf die Stadt Rom eingehen, in der ein Großteil aller untersuchten FN (286) aktuell präsent ist, die jedoch nicht zur Italia Spagnola zählte. Unter 2.1 wurde deren Bedeutung für die vorliegende Analyse bereits erläutert, da sie als Zentrum der katholischen Kirche die Einwanderung zahlreicher Spanier begünstigte. Aus diesem Diagramm erkennt man, dass hinter Mailand in Rom die meisten der untersuchten Namen vorkommen und die Stadt sogar das ehemalige Königreich Neapel überholt. Bereits daraus kann geschlossen werden, dass sich eine genauere Betrachtung für die historische Deutung der quantitativen Ergebnisse eignet und auf keinen Fall außer Acht gelassen werden darf. Abb. 19 zeigt die Anteile der FN in Rom nach deren Ursprüngen.
Es folgt nun eine Übersicht über die für Rom prägnantesten FN. Calvo wurde bereits als auffallend für Sizilien beschrieben. Neben dem Nordwesten Italiens ist es schließlich Rom, welches eine hohe Verdichtung aufweist. Dieselben Beobachtungen können bei Castro gemacht werden. Fernandez kommt neben Neapel, Sizilien und Mailand in der Hauptstadt Latiums häufig vor. Besonders stark markiert ist das Gebiet auch für Lopez einem in Italien allgemein sehr präsenten spanischen FN, der v. a. im früheren Königreich Neapel und Mailand auftritt. Dieselbe Distribution kann für Silva oder Pardo festgestellt werden. Zwei FN, die fast ausschließlich in Rom vorkommen, sind Delgado und Morera. Da Rom seit jeher zahlreiche Kulturen seiner Einwohner vereint, erweist es sich hier als schwer, die Herkunftsländer der FN zu deuten. Im Hinblick auf Rom wäre es interessant, zu erforschen, welche dieser Namen evtl. von Geistlichen der iberischen Halbinsel abstammen, da zahlreiche Kirchenämter, v. a. zur Zeit der Borjas, mit Spaniern besetzt waren. Solche Überlegungen können jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht fortgeführt werden, sondern müssten Inhalt einer detaillierteren eigenen Recherche sein.

Ein Zwischenfazit an dieser Stelle soll festhalten, dass die allgemein spanischen, kastilischen und katalanisch-aragonesischen Familiennamen in den Regionen der ehemaligen Italia Spagnola auch heute noch stark präsent sind. Darüber hinaus gilt die Hauptstadt Rom als Ballungsraum einiger solcher Namen. Es gibt aber auch Namen, welche mit sehr geringer Frequenz nur in einer Stadt der betreffenden Gebiete vorkommen. Sie wurden zum Teil in die genauere Betrachtung mit aufgenommen und sind keineswegs außen vor zu lassen, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, ob die spanischen FN auf der Apenninhalbinsel noch heute in früher spanisch regierten Gegenden zu finden sind.
Die bisher aufgezeigten Ergebnisse können z. T. sicherlich auf die Auswirkungen des Einflusses der spanischen Krone und deren Eroberungen in Italien zurückgeführt werden, was aus den jeweiligen Erläuterungen zu einzelnen markanten FN ersichtlich wird. Natürlich ist es auch möglich, dass sie nach der Periode der Italia Spagnola von ihren spanischen Trägern ins Land gebracht wurden und deshalb noch heute nachzuweisen sind. Jedoch wäre es dann verwunderlich, dass sie sich wirklich auf Mailand, den Stato dei Presidi, Süditalien, Sizilien und Sardinien konzentrieren. Deshalb kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Familiennamen Relikte aus der Zeit der Italia Spagnola darstellen und diese Gebiete vielleicht auch für spätere Einwanderer gerade deshalb Anlaufzentren waren.
Ein wichtiger Faktor der besonders bei solchen Überlegungen, ob die Präsenz wirklich eine historische Verbindung darstellt, ist die Binnenmigration in Italien, die in bestimmten Perioden nach der Unità d’Italia 1861 sehr starke Wanderbewegungen zeigt. In Punkt 2.4 wurden bereits die wichtigsten Migrationsbewegungen in Italien nach der Unità bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg erläutert. Zwischen 1872 und 1901 waren besonders Rom, Mailand, Turin, Neapel, Genua, Bologna und Florenz sowie seit den 1970er Jahren auch vermehrt der Nordosten (vgl. Pugliese 2002: 66) die Hauptmigrationsziele, während die Bevölkerungsdichte im Süden Italiens stetig abnahm. Die hohe Präsenz der untersuchten spanischen FN außerhalb der ehem. Italia Spagnola, sprich im Nordwesten (Piemont mit Turin, Ligurien mit Genua), im Nordosten (Venetien und Friaul), aber auch in der Toskana und der Emilia-Romagna, können mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Dynamik der internen Migration nach der Vereinigung Italiens zurückgeführt werden. Nun stellen sich für die Beantwortung der Fragestellung der Arbeit bedeutende Fragen: Sind die vorher gewonnenen Ergebnisse und Interpretationen zur Fragestellung, ob sich die kastilischen und katalanischen FN noch heute in den Gebieten der Italia Spagnola befinden und – noch wichtiger – ob die Daten auf diese historische Verbindung zurückzuführen sind, durch das Phänomen der Binnenmigration hinfällig? Sind die FN nur in den Gebieten präsent, da diese zufällig zu den wirtschaftlichen Zentren Italiens wurden, und hat somit das Bild der Distribution spanischer FN in Italien nicht das Geringste mit der historischen Situation zu tun? Wäre dem so, könnte die Arbeit an dieser Stelle enden und die Fragestellung mit „Nein“ beantwortet werden. Nun ist es so, dass sich auch Emidio De Felice innerhalb seiner Untersuchungen mit dem Einfluss der Binnenmigration auf die Verbreitung italienischer FN in Italien beschäftigt hat. Er geht dabei auf die lange Unterteilung des Landes in kleine Verwaltungsbezirke und auf den Faktor ein, dass sich das System der FN bereits zu dieser Zeit, vor 1861, mehr oder weniger konsolidiert hatte. Er stellt die verhältnismäßig späte Vereinigung des Landes als Begünstigung für die Konzentration der ital. FN in bestimmten Regionen und Provinzen dar. In seiner Studie von 1980 fand er heraus, dass viele ital. FN sich besonders in einem bestimmten Gebiet sammeln. Dies sei besonders für die Lombardei (Hauptstadt Mailand), Sizilien, Kampanien (Hauptstadt Neapel), die Toskana und Emilia-Romagna der Fall. Somit zieht er den Schluss, dass die Zentren der Konzentration von FN den Gebieten der historisch autonomen Regionen entsprechen (vgl. De Felice 1980: 154-157). Zudem hat er eine breitere Recherche durchgeführt und die einzelnen FN ihrer Herkunftsregion zugeordnet. Somit konnte er feststellen, dass es sich um Migrationsbewegungen handelt, wenn sich ein FN in einer Stadt findet, für welche er „untypisch“ ist (vgl. ebd.: 162 f.). Ähnlich wurde auch in der vorliegenden Analyse vorgegangen, da die span. FN ihren Ursprüngen bzw. den Regionen, in welchen sie häufig vorkommen (Gesamtspanien, Kastilien, Katalonien mit Aragonien), zugeordnet wurden. Die Frage nach der Emigration von Spanien nach Italien erübrigt sich daher und die FN gelten bezüglich der Binnenmigration in Italien in jedem Fall als „untypisch“. Eine weitere Frage, die sich stellt, und welche auch De Felice versucht hat, zu beantworten ist jene, wie man deuten kann, ob es sich um Migrationsbewegungen „historischer“ Natur (vor 1861) oder solche modernerer Zeiten (seit dem 19. Jh.) handelt. Das ist von Interesse, um deuten zu können, ob die Präsenz spanischer FN in den Gebieten der Italia Spagnola auf die historischen Verbindungen zurückzuführen ist oder ob es sich um eine willkürliche Verteilung handelt. De Felice ist der Meinung, dass die Bewegungen vom Zentrum Italiens nach Rom oder vom Süden nach Neapel, also in die „früheren Hauptstädte“ größtenteils historischen Wert besäßen. Solche vom Süden und dem Zentrum in den Norden, Richtung „industrielles Dreieck“ (Genua, Turin, Mailand), deuteten auf neuere Migrationsprozesse hin (vgl. ebd.: 163 ff.). Das könne z. B. damit belegt werden, dass die Infrastruktur, welche die Mobilität und die Überbrückung solch langer Strecken begünstigt, erst seit der Erfindung der Eisenbahn und dem Ausbau des Schienennetzes maßgeblich verbessert wurde. Als Ausnahmen nennt er hier jedoch die Wanderung etwa von Studenten oder Staatsmännern von Sardinien nach Genua, Pisa oder Rom (Zentrum bis Nord), welche auch historischen Interpretationen zuzuordnen sei (vgl. ebd.: 164). De Felice beschreibt zudem aloglotte FN, also solche, welche nicht dem italienischen Sprachsystem zuzuordnen sind, als Zeugnisse historischer Verbindungen. Besonders sardische FN auf Sardinien und katalanische FN in Alghero könnten als solche fungieren. Er stellt fest, dass auf Sardinien fast alle vorkommenden FN dem Sardischen und nicht dem Italienischen zuzuordnen seien. Zu den von ausländischen Familien importierten FN in einer historischen Periode, als fremde Länder Gebiete Italiens dominierten, also z. B. die spanisch dominierten Territorien der Italia Spagnola, bemerkt auch De Felice, dass sich erneut die Problematik ergibt, ob diese wirklich von den „historischen Familien“ oder aus anderen Gründen nach Italien gebracht wurden. Für die spanischen und katalanischen FN erkennt er, dass eine Aloglossie für Italien nicht zutrifft und Alghero eine quantitativ unbedeutende Rolle spielt. Darüber hinaus verortet er die FN erkennbar in den früher aragonesisch und später spanisch dominierten Gebieten Sizilien, Sardinien und dem kontinentalen Süden (ehem. Königreich Neapel) (vgl. ebd.: 201-212).

Auch ich habe Überlegungen dazu angestellt, wie viel Einfluss die Binnenmigration in Italien auf die historische Deutung der erhaltenen Ergebnisse zur Arealdistribution kastilischer und katalanischer FN in Italien nimmt. Sie spielt vermutlich eine Rolle, wenn man die hohe Präsenz in Mailand als industriell bedeutender Stadt oder Rom als ewigem Schmelztiegel der Kulturen und Ziel interner Migration betrachtet. Jedoch denke ich, dass besonders die hohe Präsenz im ehemaligen Königreich Neapel, auf Sizilien und Sardinien (als dem spanischen Festland am nächsten gelegene Territorien), aber auch im Stato dei Presidi davon zeugt, dass die Spuren der damaligen spanischen Einwanderer noch heute in deren Herrschaftsgebieten bestehen. Diese Regionen sind in der neueren Zeit nicht die Hauptziele von Migranten auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben, und trotzdem gehören sie zu den Bereichen, wo die spanischen FN besonders stark vertreten sind. Dies kann auch zeigen, dass die Nachfolger der spanischen Familien, welche in der Periode der Italia Spagnola nach Italien gekommen waren, in den Siedlungsgebieten ihrer Vorväter blieben und daraus das jetzige Bild der Verteilung ihrer FN entsteht. Dafür können auch FN, welche in ländlichen Gebieten außerhalb der Italia Spagnola vorkommen, stehen, wenn sie auf Niederlassungen von Familien zurückzuführen sind, welche, wie in 2.1. beschrieben, während der Eroberungsversuche und Feldzüge der Spanier dorthin gelangt waren. Des Weiteren könnte man Vermutungen anstellen, ob die Spanier bereits zu dieser Zeit die wirtschaftlich „interessanten“ Zentren Italiens angesteuert hatten und diese evtl. sogar durch deren Herrschaft auch nach der Unabhängigkeit Italiens als solche bestehen blieben. Eine hundert prozentige Sicherheit solcher Aussagen ist jedoch nie gegeben, da hierfür tiefgehende Ahnen- oder Feldforschung betrieben werden müsste, um nachzuprüfen, ob die aktuell dort vorhandenen spanischen FN auf die Immigranten des 15.-18. Jh. zurückzuführen sind, was sich allgemein als mühsamer und langwieriger Prozess erweisen dürfte, vorausgesetzt, es sind genügend Dokumentationen zu Volkszählungen, welche bis in diese Zeit zurückreichen, vorhanden. Wie an früherer Stelle bereits kurz erwähnt, können die untersuchten FN von historischem Wert sein, da sie bereits über Jahrhunderte von italienischen Staatsbürgern getragen werden. Auch De Felice (1980) verweist auf diesen Aspekt (vgl. ebd.: 182 f.).

Zusammenfassend kann demnach festgestellt werden, dass die der Arbeit zugrunde liegende Analyse zeigt, dass sich die kastilischen und katalanischen FN noch heute vorwiegend in den Gebieten der Italia Spagnola befinden. Die Binnenmigration in Italien, v. a. nach dem Zweiten Weltkrieg, kann als Einflussgröße auf das Bild der geographischen Distribution gesehen werden; nichtsdestotrotz gibt es einige Faktoren, welche eine historisch wertvolle Interpretation der quantitativen Daten im Hinblick auf die damalige Verbindung Spaniens und Italiens durch die eroberten Territorien und Herrschaftsverhältnisse zulassen. Dafür sind zum einen die FN von Bedeutung, welche durch ihre hohe Präsenz in den betreffenden Gebieten (Mailand, Süditalien, Sizilien, Sardinien, Stato dei Presidi) hervorstechen, zum anderen auch jene, Italien insgesamt weniger häufig zu finden sind, dafür aber gerade in diesen Regionen vorkommen. Des Weiteren kann angemerkt werden, dass die Frequenz der FN vermutlich mit der Zeit aus unterschiedlichen Gründen abgenommen hat. Durch Heirat einer spanischen Frau und eines italienischen Mannes in der frühen Neuzeit blieb der italienische FN bestehen. Somit kann es sein – und ist vermutlich sehr wahrscheinlich – dass derzeit einige Einwohner Italiens zwar von den spanischen Immigranten des 15.-18. Jh. abstammen, sich dies jedoch nicht in ihren FN widerspiegelt. Daneben wurde in einem früheren Kapitel bereits die Italianisierung ausländischer FN zur Zeit des Faschismus angesprochen. Obwohl das in erster Linie nicht die spanischen FN betraf, kann vermutet werden, dass im Laufe der Zeit auch diese z. T. an das italienische Sprachsystem angeglichen worden sind. Dies kann auch bereits in früheren Epochen geschehen sein. Inwiefern die Festlegung des italienischen FN-Systems im Rahmen des Konzils von Trient auch die in Italien lebenden Träger spanischer FN beeinflusst hat und zu einer Reduzierung Dieser beitrug, wäre eine Frage tiefer gehender Forschung. So weisen die beiden Länder nicht nur Ähnlichkeiten auf kultureller und klimatischer, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene auf, welche sich noch heute in der Sprache und den Familiennamen widerspiegeln.

Da die Präsenz der kastilischen und katalanischen Familiennamen in der Italia Spagnola nachgewiesen werden konnte, möchte ich nun die zur Analyse angewendete Methode bewerten und darauf eingehen, wie gravierend die aufgetretenen Störfaktoren eine solche Untersuchung beeinflussen können.
Die Verwendung der Listen statistischer Institute kann allgemein nicht bemängelt werden. Wenn es, wie bei INE (Gebiet Spanien), der Fall ist, dass die aktuellsten Daten noch nicht zur Verfügung stehen, muss die Eignung des vorhandenen älteren Materials überprüft werden. Bei der Rangliste der häufigsten FN kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich innerhalb eines Jahres nicht viel ändert. Die Analyse des etymologischen Ursprungs der ersten 500 FN in Spanien ist lediglich eine Möglichkeiten von vielen, den Umfang der untersuchten FN einzugrenzen. Hier kann es dazu kommen, dass evtl. FN, welche in Italien häufig, in Spanien hingegen selten vertreten sind, wegfallen und dadurch nicht berücksichtigt werden (vgl. der Fall Esposito). Bei INE sind die Listen nachvollziehbar geordnet, während dies für Idescat. (Gebiet Katalonien) nicht der Fall ist. Die Rangfolge ist zwar ebenfalls nach Häufigkeit der Namen als primer bzw. segundo apellido sortiert, jedoch fiel auf, dass sie nicht durchgängig nach Größe absteigen. So steht Pascual in Katalonien mit einer Frequenz von 10.362 auf Platz 61, gefolgt von Garrido (9.957) und listet dann auf Platz 63 Costa mit einer Häufigkeit von 10.188 auf. Auf Nachfrage per E-Mail wurde erklärt, dass sich die Zahlen aus dem Mittelwert von primer und segundo apellido ergeben würden. So habe ich eigenhändig eine Rangfolge nach Häufigkeit als erster FN erstellt, welche als Grundlage für die weitere Arbeit diente. Beide statistischen Institute verzichten auf die Schreibweise der FN mit Akzenten über den Vokalen und schreiben die Namen in Großbuchstaben. Dies erschwert bisweilen die Ermittlung der intendierten Form. Mithilfe etymologischer Wörterbücher zu spanischen FN konnte diese Problematik bis auf seltenste Ausnahmen jedoch beseitigt werden. Die Verwendung der Bücher behauptet sich gegenüber speziellen Webseiten um ein Vielfaches. Es sind zahlreiche Internetangebote vorhanden, welche den Ursprung von FN klären, sich aber oft gegenseitig widersprechen oder auf die Heraldik, eine antike Wissenschaft über Wappen von Adelsfamilien und deren Abstammungsverhältnisse, beziehen (vgl. Faure et al. 2009: XII). Solche Faktoren wären innerhalb der vorliegenden Analyse für eine historische Interpretation zwar durchaus von Interesse, jedoch geht es bei der Bestimmung des Ursprungs eines FN hier in erster Linie um die Etymologie. Die Unterteilung der FN in ihren jeweiligen etymologischen Ursprung sowie in Regionen, in denen sie zu den häufigsten zählen, war notwendig, um eine größere Vielfalt an Namen zu erhalten. So sind in der Rangliste für Gesamtspanien nur wenige katalanische FN enthalten, in der Kataloniens bzw. Aragoniens jedoch deutlich mehr. Die Überlegung, dass auch diese Häufigkeitslisten Aufschluss darüber geben können, ob sich deren FN in der Italia Spagnola befinden, erwies sich als eher unbedeutend, da sich hier das Ergebnis zu gleichen Teilen unter den Regionen aufgliedert, weil die Namen sich meist überschneiden.
Die Suche nach der geographischen Distribution der FN in Italien mit der Datenbank GENS kann allgemein als sinnvoll bezeichnet werden. Zunächst einige grundlegende Prämissen. Inwiefern sich Telefonverzeichnisse als Basis der Datensätze eignen, kann in Frage gestellt werden. Es kann durchaus der Fall sein, dass nicht jeder FN registriert ist und somit ergeben sich erste Mängel. De Felice merkt bereits 1980 an, dass sich wohl Listen von Volkszählungen eher eignen würden (vgl. De Felice 1980: 213 f.). Daraus wird ersichtlich, dass die Zahl der Menschen in Italien, welche spanische FN tragen, höchstwahrscheinlich eine noch höhere Frequenz, als die betrachteten Namenskarten aufweisen, da in einer Gemeinde vermutlich mehrere Familien mit je mehreren Mitgliedern leben. Da im Rahmen der Analyse jedoch mit GENS gearbeitet wurde, was die Häufigkeit nach Gemeinde und nicht Person betrachtet, ist dieser Störfaktor hier unbedeutend. Darüber hinaus bemängelt Caffarelli (2009) die Tatsache, dass GENS die Suche von Doppelnamen zulässt. Solche gehören zu einer Grundform und deren reale Häufigkeit wird durch die Unterteilung in ihre Einzelformen verfälscht (vgl. Caffarelli 2009: 171 f.). In der vorliegenden Analyse wäre gerade das nicht wünschenswert, da jede Form von Bedeutung ist und den jeweiligen Ursprung (kastilisch oder katalanisch) anzeigt. Die einzelnen Formen werden als solche behandelt und können wertvolle Aufschlüsse über die historische Verbindung zwischen Spanien und Italien durch die Italia Spagnola geben, wenn sie lediglich in einem bestimmten Gebiet vorkommen (z. B. kat. Farré von kast. Herrero [vgl. Faure et al. 2009: 412 f.]). Dieser Störfaktor beeinträchtigt die Analyse demnach nicht. Die Gruppierung aller Formen zu einer Basisform wäre sinnvoll, wenn es darum geht, für eine Region typische Namensformen bezüglich ihrer morphologischen Struktur o.ä. zu erkennen. Zudem erweist sich die Eingabe von Akzenten über Vokalen oder der Tilde über dem n als problematisch. Letztere ist schlichtweg nicht möglich, was vermutlich daran liegt, dass GENS sich v. a. mit italienischen Namen beschäftigt, diese Schreibweise im Italienischen jedoch nicht existiert. Für die Akzente wird die Lösung angeboten, nach dem Vokal einen Apostroph einzufügen. Ein Versuch zeigte jedoch, dass dies für manche spanischen FN keine Resultate erzielt, während die Schreibung ohne Apostroph eine Namenskarte anzeigt. Wie zuvor bereits angemerkt, wurden einige spanische FN an die italienische Schreibweise in den betreffenden Telefonverzeichnissen angeglichen, was die positiven Ergebnisse ohne Akzent/Apostroph erklärt. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die erhaltenen Resultate im Großen und Ganzen verwertbar und richtig sind.
Es ist als positiv zu sehen, dass GENS unterschiedliche Kartenansichten anbietet. Auch die hier nicht verwendete physische Karte kann für bestimmte Untersuchungen herangezogen werden, welche sich damit beschäftigen, ob einzelnen Namen für Berg- oder Talregionen auffällig sind. In der vorliegenden Analyse erwies sich eine kombinierte Betrachtung der Farb- und Kreiskarte als sinnvoll. Die farblichen Abstufungen können eine erste globale Übersicht über die Dichte und Häufigkeit der FN in den italienischen Provinzen geben, während die Kreiskarte sich zu einer exakteren Verortung und für die anschließende historische Deutung eher eignet.
Das hohe Vorkommen von Namen, die an sich einen Störfaktor darstellen, da sie sowohl dem spanischen als auch dem italienischen Sprachsystem zuzuordnen sind, ist eine natürliche Gegebenheit, auf die wenig Einfluss genommen werden kann. Man muss sich dessen lediglich bewusst sein und es bei etwaigen Interpretationen berücksichtigen.
Die Arbeit mit Photoscape, mit dem einzelne Karten übereinander gelegt werden können, ist interessant für eine sehr allgemeine Betrachtung, an welchen Stellen die meisten untersuchten FN vorkommen. Da jedoch, wie unter 4.2 erläutert, zu viele Störvariablen vorliegen, sind die Einzelkarten für die historische Interpretation unumgänglich, da nur so alle markierten Gebiete deutlich werden.
Die Tatsache, dass bereits mehrere Forscher (u. a. De Felice, Caffarelli, Ariza, Mateos) die Distribution von FN in einem bestimmten Gebiet untersucht, sei es zur reinen Beantwortung quantitativer Fragen oder auch sozioökonomischer Fragestellungen und je nach technischem Fortschritt Namensdatenbanken wie GENS verwendet haben, zeigt, dass auch die hier stattgefundene Vorgehensweise eine brauchbare Methodik aufweist, um das Feld der Familiennamen im interdisziplinären Kontext zu erforschen. Allgemein möchte ich anmerken, dass es zwar Störvariablen – insbesondere auf technischer Ebene – gibt, diese jedoch entweder keine gravierende Rolle spielen oder das Ergebnis nicht merklich beeinflussen. Störvariablen treten hier v. a. in der Technik auf, woraus folgt, dass sich der Forscher nicht vollständig auf diese verlassen kann und die persönliche Interpretation und Deutung der quantitativen Daten im Hinblick auf die Zukunftspotentiale von großer Bedeutung ist.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Schlussbetrachtend kann gesagt werden, dass aufgrund der oben dargestellten Ergebnisse der Untersuchung die der Arbeit zugrunde liegenden Fragestellungen positiv beantwortet werden können. Die Analyse zur Arealdistribution kastilischer und katalanischer Familiennamen in Italien hat ergeben, dass diese sich auch heute noch in den Gebieten der ehemaligen Italia Spagnola, den von den Spaniern zwischen dem 15. und 18. Jh. dominierten italienischen Territorien – Sardinien, Sizilien, Süditalien als das ehemalige Königreich Neapel, dem Fürstentum Mailand und dem Stato dei Presidi in der Toskana – befinden. Auch deren qualitative Deutung lässt die Aussage zu, dass sich dabei durchaus die historischen Verknüpfungen der beiden Länder erkennen lassen. Darüber hinaus kann behauptet werden, dass sich die angewandte Methode und die Vorgehensweise für derartige Untersuchungen eignen. Die hier verwendete Namensdatenbank GENS stellt ein taugliches Mittel dar, um die Namengeographie in Italien zu untersuchen.
Nach einem historischen Überblick über das Verhältnis zwischen Spanien und Italien, der Definition des Begriffs der Italia Spagnola sowie der Verbindung der Länder seit 1861, wurden die Folgen der spanischen Herrschaft aufgezeigt. Es ergab sich, dass neben damaligen Einflüssen von Seiten Spaniens auf die italienische Wirtschaft und Politik die Auswirkungen auf das Sprachsystem und die Gesellschaft auch heute noch wahrzunehmen sind. So kam die katalanische (und ab dem 15. Jh. auch die kastilische) Sprache bereits ab dem 13. und 14. Jh. nach Sizilien und Sardinien und verbreitete sich über das Königreich Neapel sowie das Fürstentum Mailand als weitere Eroberungsgebiete schließlich in vielen Teilen Italiens. Dieser Prozess ging mit einer hohen Einwanderung der Spanier in die jeweiligen Territorien einher, da eine Sprache von ihrem Sprecher erzeugt wird. Daneben war auch Rom, als Zentrum der katholischen Kirche, eine bedeutende Stadt für das iberische Volk, da dort ebenfalls die spanische Bevölkerung und deren Kultur alle Bereiche des Lebens durchdrang. Diese Wanderungen brachten schließlich spanische FN nach Italien, welche den Fokus der vorliegenden Arbeit darstellen. Nachdem die historische Namenforschung v. a. im spanisch-italienischen Kontext beschrieben, Grundbegriffe zur Onomastik, dem Namensgebungssystem in Spanien und aktuelle Forschungstätigkeiten sowie künftige Potentiale im Bereich der Athroponomastik und besonders der Familiennamenforschung, erläutert wurden, ist die durchgeführte Analyse zur Distribution dieser FN in Italien vorgestellt worden. Trotz einiger Störfaktoren, die sich einerseits durch natürliche Prozesse, wie die Binnenwanderung oder die Tatsache, dass manche FN sowohl dem spanischen als auch dem italienischen Sprachsystem zuzuordnen sind und sich andererseits aus technischen Gründen, wie der Suchoptionen nach FN mit fehlender Berücksichtigung von Sonderzeichen (Tilde, Akzent) ergeben, wurde erkannt, dass die Analyse insgesamt wertvolle und aussagekräftige Ergebnisse zu historischen Fakten, aber auch zu technischen Möglichkeiten der Forschung erzielt hat.
Da die Anthroponomastik und v. a. die Familiennamenforschung als vergleichsweise junge Teildisziplinen der Sprachwissenschaft gelten und der Forschungsstand in den einzelnen Ländern bisweilen noch hohe Diskrepanzen aufweist, möchte ich an dieser Stelle einen Ausblick geben, welche Potentiale darin stecken. Die Familiennamenforschung, insbesondere die Familiennamengeographie, kann neben quantitativen Fragen zur bloßen Häufigkeit von FN in einem bestimmten Gebiet auch Aufschluss über politische, ökonomische, kulturelle und soziale Gegebenheiten einer zeitlichen Periode geben. So hat Bauers Aussage, dass „alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens und der Umwelt, worin es sich abspielt, aufs engste mit Namen verknüpft [sind] […] [und] der Namenforschung daher durchaus der Rang einer Grundlagenwissenschaft [gebührt]“ (Bauer 1995: 16), in jedem Fall einen hohen Wahrheitsgehalt und kann durch die erhaltenen Ergebnisse bestätigt werden.
Die Wissenschaften, die sich mit solchen Problemen beschäftigen (Geschichtswissenschaft, Sozialwissenschaft, Sprachwissenschaft etc.), befinden sich aktuell in einer Zeit des Umbaus. Durch die in den letzten Jahren rasant gewachsenen technischen Mittel des Internets zur Erfassung großer Datenmengen, deren Speicherung und allgemeine Zugänglichkeit, sind die Kooperationsmöglichkeiten in einem interdisziplinären Feld stark gestiegen. Ein Bereich, welcher hier von wachsender Bedeutung ist, sind die Digital Humanities, welche sich damit beschäftigen, wie Informationen über das menschliche Leben mit all seinen Teilbereichen im Kontext zeitlicher, historischer und kultureller Epochen digital abgebildet und für Forschungszwecke zugänglich gemacht werden kann. Solche Forschungstätigkeiten sind bereits in vollem Gange und konstruieren potentielle Zukunftsszenarien (Siehe dazu u.a. Terras, Melissa/Nythan Julianne/Vanhoutte Edward (Hrsg.) (2013): Defining Digital Humanities. A Reader. Surrey/Burlington: Ashgate Publishing Company.; Presner, Todd/Shepard, David/kawano, Yoh (Hrsg.) (2014): Hyper Cities. Thick Mapping in the Digital Humanities. Cambridge (MA)/London (UK): Haravrd University Press.; Nguyen, Duyen/Hopwood Elisabeth (Hrsg.) (2005-2015): Digital Humanities Quarterly. Boston: The Alliance of Digital Humanities Organisations.). In einem Artikel der Online-Zeitschrift Digital Humanities Quarterly aus dem Jahr 2009 stellen Tom Elliott und Sean Gillies ein solches für den Einsatz von digitalen, interaktiven und interdisziplinären Karten für unterschiedliche Forschungsgebiete im Jahr 2017 dar. So wird es ihrer Ansicht nach durch die rasanten Entwicklungsprozesse technischer Möglichkeiten eine Revolution im Geo-Computing geben. Forscher werden somit durchgehend miteinander in Verbindung stehen, sie können sich virtuell auf elektronisch verfügbaren Landkarten bewegen, deren Orte mit unterschiedlichsten Daten wie Forschungsartikeln und anderen Informationsquellen verbunden sind. Zudem soll es möglich sein, analoge Texte zu digitalisieren, die vorkommenden Begriffe eindeutig zu separieren und mit einzelnen Orten auf der Welt, aber auch Personen, die sich auf ihr bewegen, zu verknüpfen. Bereits heute sind Kartenmaterialien online abruf- und erweiterbar. In Verbindung mit historischen Daten, wird es von Bedeutung sein, die Geographie mit der entsprechenden Epoche zu verbinden, was schon jetzt einen aktuellen Forschungstrend darstellt (vgl. Elliott & Gillies 2009). Für Fragestellungen, wie jene Verbreitung kastilischer und katalanischer Familiennamen in Italien und ihrer historischen Deutung könnten solche Techniken ungeahnte Potentiale bergen. Vorausgesetzt, die historischen Daten und Karten sind zugänglich und digitalisierbar, könnte sich der Forscher so bereits in naher Zukunft virtuell in die Zeit der Italia Spagnola versetzen und die Migrationsbewegungen sowie die Diffusion und Distribution der FN anhand der Verfolgung ihrer Träger aus nächster Nähe miterleben. Inwiefern solche Szenarien in der Realität umgesetzt werden können und in welchem Maße es überhaupt erstrebenswert ist, das komplette Leben von Menschen derart detailgetreu abzubilden bzw. eine solch exakte Nachverfolgung zu ermöglichen, sei hier in Frage gestellt und jedem Individuum selbst überlassen.