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‚Mittelmeerwörter‘

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Zitation: Thomas Krefeld (2019): ‚Mittelmeerwörter‘. Version 4 (30.01.2019, 16:41). Lehre in den Digital Humanities. , url: https://www.dh-lehre.gwi.uni-muenchen.de/?p=11674&v=4



Das grundlegende Standardwerk von Kahane u.a. fokussiert gemäß seines Untertitels zwar  Turkish Nautical Terms of Italian and Greek Origin, aber die Beschreibung der Verbreitung dieser Wörter geht oft weit über diese drei Sprachen hinaus, wie zum Beispiel genues. attracca zeigt, das nicht nur im Türkischen, sondern im Griechischen, Provenzalischen, Katalanischen, Spanischen, Portugiesischen sowie im Arabischen von Marokko, Tunesien, Malta und Ägypten - also einmal rund um's Mittelmeer herum - belegt ist. Ähnliches gilt für viele nautische Wörter, die jedoch keineswegs alle italienischer Herkunft sind, so dass Kahane u.a. zur Erkenntnis gelangten, es gäbe einen lessico nautico mediterraneo, der sich aus unterschiedlichen sprachlichen Quellen speist. Im historischen Kontext der mediterranen Seefahrt erklärt sich diese Aggregation von Ausdrücken ganz unterschiedlicher Herkunft zu einem sprachübergreifenden nautischen Wortschatz gewissermaßen von selbst. Analog zu den so genannten ‘Alpenwörtern’ sollte man geradezu von ‘Mittelmeerwörtern’ sprechen.

Hier ein Beispiel für ein ursprünglich griechisches Wort, das über arabische Vermittlung ins 'Italienische' gelangte: 

  • griech. πανδοχείο ‘Gasthaus, Karawanserei’ > arab. funduq > it.  fondaco und ähnlich in anderen rom. Sprachen

Cortelazzo (1977, 530 f.) weist darauf hin, dass es schon in der antiken griechischen Literatur Beispiele für Perser gibt, die das Griechische nur rudimentär beherrschten (so bei Timotheos von Milet, IV. Jh. v.Chr.).

Das Griechische hat aber gelegentlich auch Wörter an andere, nicht mehr mediterrane Sprachen vermittelt, wie das folgende Beispiel zeigt:

  • it. fortuna > gr. φoυρτoύνα > Balkanspr., z.B. rum. furtunǎ ‘Gewitter, Sturm’

Mit der Entlehnung in andere,  südosteuropäische Sprachen ist bisweilen auch eine Übertragung aus dem Feld der Seefahrt in andere semantische Felder verbunden:

“I vocaboli terrieri sono più abbarbicati alla sede rustica, che quelli che intercorrono fra città e città di mare: vi penetrano dai porti, ma si acclimatano facilmente e più facilmente vi prendono radice e meno facilmente cadono in dimenticanza. Cosicché buona parte di quel nucleo considerevolissimo di venetismi, un giorno d’ordinaria circolazione costiera dall’Adriatico al Mar Nero, si arrocca ora solo nelle campagne slave, albanesi e greche. […] tartana, imbarcazione oramai abbandonata, sopravvive dovremmo proprio dire floridamente, come indicazione di ‘donna (piuttosto pingue)’ in larghe zone della Grecia e della Jugoslavia interiori […]” (Cortelazzo 1977, 394)

Nun bezeichnen Kahane u.a. den “lessico mediterraneo”  als lingua franca, wodurch sie diesem wichtigen Mittelmeerausdruck eine etwas eigenwillige, sehr spezielle Bedeutung geben:

“[…] hanno introdotto una accezione molto rigida di lingua franca, limitandone l’area al lessico e, più precisamente e ancor più restrittivamente, al vocabolario nautico […] hanno ulteriormente ridotta la loro analisi ai prestiti marinari turchi (723) e al greco (155).” (Cortelazzo 1977, 391)

In der Regel wird unter lingua franca etwas anderes verstanden.  

 

Bibliographie

  • Cortelazzo 1977 = Cortelazzo, Manlio (1977): Il contributo del veneziano e del greco alla lingua franca, Firenze, Olschki.
  • Kahane u.a. 1958 = Kahane, Henry u.a. (1958): The Lingua Franca in the Levant. Turkish nautical terms of italian and greek origin, Urbana (Link).
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