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Hausarbeit: Hydronyme im deutschsprachigen Alpenvorland und Alpenraum




1. Einleitung

Ein Hydronym bezeichnet den Namen eines Gewässers, unabhängig von der Art (fließend oder stehend) und Größe des Gewässers. Aus linguistischer Perspektive können Hydronyme Hinweise auf sprachliche Kontinuität geben, wenn schriftliche Belege fehlen. Diese eignen sich dafür sogar besser als Toponyme, da sie aufgrund der Besiedlungskontinuität an den Ufern und des überregionalen Bekanntheitsgrades (vor allem bei längeren Flüssen) weniger von Besitzübernahmen durch andere Völker betroffen sind. So kann es passieren, dass Gewässer, die mehrere Länder durchfließen, bis auf lautliche Anpassung an die jeweilige Einzelsprache, denselben Namen tragen. Die Donau heißt beispielsweise auf Ungarisch und Kroatisch Dunaj, auf Serbisch und Bulgarisch Dunav und auf Rumänisch Dunarea (vgl. Greule 2014: 352). Grund für diese Ähnlichkeit liegt in dem Etymon. Aus einem Etymon können sich auch Parallelnamen entwickeln, die voneinander unabhängige Flüsse in mehreren Ländern bezeichnen (Iser in Deutschland, Isère in Frankreich). Welche Informationen enthalten Hydronyme und wie kann es sein, dass unterschiedliche Flüsse in unterschiedlichen Ländern denselben Namen tragen? Auf diese Fragen wird die vorliegende Arbeit Antworten geben. In einem praktischen Teil soll zudem versucht werden, ausgewählte Hydronyme georeferenziert zu visualisieren.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich zunächst in einen theoretischen Teil, in dem alle Grundlagen der Hydronymie vermittelt werden. In Kapitel 2 geht es zunächst um die Morphologie sowie die Semantik und die Zugehörigkeit zu einer historischen Gewässernamensschicht. Im Anschluss daran folgt die Anwendung auf das deutschsprachige Alpenvorland mit dem Ziel, anhand ausgewählter Hydronyme des genannten Gebietes eine georeferenzierte Darstellung anzufertigen.

2. Hydronymie
2.1. Morphologie

Das folgende Kapitel befasst sich mit der Morphologie der Gewässernamen und gibt darüber Aufschluss, wie Gewässernamen sprachlich aufgebaut und gekennzeichnet sind. Generell unterscheidet man hinsichtlich der morphologischen Struktur der Hydronyme - wie bei Appellativen im Allgemeinen - zwischen mehrstämmigen und einstämmigen Namen. Zu der ersten Kategorie zählen Komposita, Zusammenrückungen und Reduktionsformen. Derivata und Simplizia werden den einstämmigen Namen zugeordnet (vgl. Greule 1985: 3530).

Die Komposition ist in der gegenwärtigen Hydronymie Deutschlands die am meisten verwendete morphologische Struktur. Eine Komposition besteht zu einem Teil aus einem Bestimmungswort, das entweder ein Adjektiv (Rot-ach), ein Substantiv (Eber-bach), ein Adverb (Unter-see) oder ein Ortsname (Boden-see benannt nach dem Ort Bodman) sein kann. Entscheidend ist nur, dass das jeweilige Bestimmungswort in unflektierter Form vorliegt. An das Bestimmungswort wird zusätzlich ein Grundwort angefügt. Frequente Grundwörter sind -ach/-a ‘Wasser’ (< ahd. aha z.B. Rotach), -brunnen (z.B. Mühlbrunnen), -graben (z.B. Kirchgraben), -bach (z.B. Fischbach), -kanal (z.B. Mittellandkanal), -see (z.B. Ammersee), wobei sich unter den jüngeren Gewässernamen eine Bevorzugung von -bach feststellen lässt (vgl. Greule 1985: 3530).

Zusammenrückungen sind ursprünglich Nominalgruppen, die sich im Laufe der Zeit zu festen Namen entwickelt haben und in der neueren Hydronymie eine wichtige Rollen spielen. Im Unterschied zu den Komposita liegt das Bestimmungswort in flektierter Form vor. Bezüglich der Nominalgruppen können folgende Arten beobachtet werden: Nomen im Genitiv + Nomen, Personennamen im Genitiv + Nomen, flektiertes Adjektiv + Nomen, Partizip Präsens + Nomen. Um eine Zusammenrückung als solche zu klassifizieren, bedarf es oftmals historische Belege. Im Falle von Mondsee scheint es sich zunächst um ein Kompositum zu handeln. Unter Berücksichtigung der Quellen muss Mondsee allerdings als eine Zusammenrückung des Types Nomen im Genitiv + Nomen gesehen werden. Die ursprüngliche Form Maninseo enthält den Genitiv von ahd. mano Mond und das Nomen seo See (vgl. Greule 1985: 3530-3531).

Bei der Bildung von Hydronymen lassen sich ebenfalls Reduktionsformen beobachten. Innerhalb der Reduktionsformen können zwei Unterkategorien festgestellt werden, Klammerformen und Rückbildungen. Klammerformen sind ursprünglich dreigliedrige Komposita oder Zusammenrückungen mit Wegfall des mittleren Gliedes. Anhand von Feldsee kann eine Ausgangsform rekonstruiert werden, vermutlich *Feldbergsee. Weitere Beispiele sind Sindelbach statt *Sindelfinger Bach oder Hainsterbach statt *Hainstadter Bach. Zu den Gewässernamen, die aus Rückbildungen hervorgegangen sind, gehören beispielsweise Aid, Ette und Ditz. In allen drei Fällen leitet sich das Hydronym aus einer reduzierten Form der Siedlungsnamen (Aidhausen, Ettenhausen und Ditzenbach) ab (vgl. Greule 1985: 3531).

Einstämmige Namen, Derivata und Simplizia, lassen sich deutlich von mehrstämmigen Namen abgrenzen. Von derivativen Gewässernamen ist dann die Rede, wenn an einem Stamm (Appellative oder auch Namen) Suffixe wie -j, -r, -l, -n, -m, -nt, -s angehängt werden. Im Gegensatz zu den Derivata können Simplizia nicht weiter in einen Stamm und ein Suffix unterteilt werden. Greule spricht diesbezüglich von den „kleinste[n] Sprachzeichen“ (Greule 1985: 3531). Main oder Ruhr gehören beispielsweise dieser Kategorie an, da sie sich nicht weiter segmentieren lassen. In solchen Fällen müssen etymologische Kenntnisse hinzugezogen werden. Sowohl Derivata als auch Simplizia sind charakteristisch für die älteren Gewässernamen und spielen aus diesem Grund in der heutigen Hydronymie Deutschlands nur noch eine untergeordnete Rolle.

Zusammenfassend kann bemerkt werden, dass Hydronyme mehr- oder einstämmig sein können und oftmals an historische Belege gebunden sind, wenn Zweifel hinsichtlich der genauen Etymologie bestehen. Je nach morphologischer Struktur der Gewässernamen ist es zudem möglich, Rückschlüsse auf das Alter zu ziehen. Wie bereits erwähnt werden vor allem Kompositionen bevorzugt, um jüngere Gewässernamen zu bezeichnen. Ältere Gewässernamen sind vorzugsweise Derivata oder Simplizia und lassen sich ohne etymologische Kenntnisse schlecht nachvollziehen.

2.2. Semantik

Nach der Untersuchung der morphologischen Struktur, wird im folgenden Kapitel die Semantik der Hydronyme behandelt. Hauptsächlich geht es nun um die Frage nach den Benennungsmotiven von Gewässern. Es können allgemein 12 Kategorien aufgelistet werden, die indizieren nach welchen Motiven und Kriterien ein Gewässer benannt werden kann.

  1. Indogermanische Wasserwörter (Krahe 1964: 34-61)
  2. Eigenschaft des Wassers
  3. Bewegung des Wassers
  4. Wasserreichtum bzw. -armut
  5. Gestalt und Beschaffenheit des Bachbetts oder Ufers
  6. Gestaltung des Flusslaufs: Krummbach, Gabelbach
  7. Umgebung (Flora, Fauna, Geländeformationen)
  8. Relative Lage zu geographischen Objekten
  9. Menschliche Einrichtungen und Nutzungsweisen
  10. Ursprünglicher Besitzer des Landstücks
  11. Historische Sachverhalte
  12. Siedlung oder Gebäude

Krahe (1964: 34-61) stellt fest, dass die ältesten Gewässernamen der ersten Kategorie zuzuordnen sind. Diese sind nämlich mit indogermanischen Wasserwörtern identisch oder aus solchen abgeleitet. Unter Wasserwörter fallen alle Bezeichnungen, die ein fließendes Gewässer charakterisieren. Dazu gehören Namen, die die indogermanischen Wurzeln *el-/*ol- (‘fließen’, ‘strömen’), *wer-/*wor- (‘Wasser’, ‘Regen’, ‘Fluss’), *ser-/*sor- (‘fließen’, ‘strömen’) enthalten (vgl. Krahe 1964: 34-41, Greule 1985: 3531). Gleichen Alters sind auch solche Hydronyme, die nach der Eigenschaft des Wassers benannt sind. Dabei handelt es sich beispielsweise um Eindrücke, die mithilfe des Gehör- (Klingenbach, Lautenbach), Geruchs- (Schwechat < ahd. Suechanta ‘die Stinkende’), Geschmacks- (Sauerbach) oder Tastsinns (Kaltbach) wahrgenommen werden (vgl. Krahe 1964: 51-58, Greule 1985: 3531-3532). Daneben kann die Bewegtheit eines Gewässers für die Flussnamensgebung relevant sein. In solchen Fällen kann die Schnelligkeit (Wutach, Wilde) oder Trägheit (Gutach, Milde) des Wassers zum Benennungsmotiv werden (vgl. Krahe 1964: 55-58, Greule 1985: 3532). Auch Wasserreichtum (Reichenbach) bzw. Wasserarmut (Hungerbach) können sich im Gewässernamen widerspiegeln (vgl. Greule 1985: 3532).

Ein neueres Motiv, nach dem Gewässer benannt sind, ist die Gestalt und Beschaffenheit des Bachbetts (Steinbach, Sandbach) (vgl. Greule 1985: 3532). Das Aussehen eines Gewässers, wie etwa eine auffällige Gestaltung des Flusslaufs (Krummbach, Gabelbach), spielen bei der Namensgebung des Gewässers eine Rolle (vgl. Greule 1985: 3532). Ebenso kann die unmittelbare Umgebung des Gewässers bei der Namensgebung ausschlaggebend sein. Zu berücksichtigen sind hier Flora (Rohrbach), Fauna (Biberach), Geländeformationen (Bergsee), Lage zu geographischen Objekten (Mittelbach) und menschlichen Einrichtungen (Mühlbach), Besitzverhältnisse (Nonnenbach), historische Sachverhalte (Mar(k)bach < ahd. marc ‘Grenze’) sowie Siedlungen (Zürichsee) und Gebäude (Kirchbach) (vgl. Greule 1985: 3532). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Hydronyme nicht nur Aufschluss über das mögliche Alter eines Gewässers geben können, sondern Charakteristika wie Aussehen, Beschaffenheit und Umgebung in sprachlicher Form kodieren. Interessant ist zudem zu beobachten, inwiefern Gewässer einst vom Menschen wahrgenommen wurden. Die ältesten Hydronyme zeigen, dass Gewässer schlichtweg dem Wortfeld ‘Wasser’ entstammen. Dies bedeutet, dass die Gegebenheiten der Natur zunächst in der Namensgebung vorherrschend waren. Erst später spiegelt sich der Mensch und seine Kultur in den Hydronymen wider. So werden Gewässer zunehmend nach der Umgebung und der Nutzungsweise benannt. Gleichzeitig treten Wasserwörter als Benennungsmotiv in den Hintergrund (vgl. Krahe 1964: 60).

2.3. Historische Schichtung

In den vorherigen Kapiteln ist hervorgegangen, dass man anhand der Gewässernamen erkennen kann, ob diese jüngerer oder älterer Herkunft sind. In der Tat ist es möglich, Hydronyme nach ihrem Alter in verschiedene historische Schichten einzuteilen. Krahe (1964: 16), einer der wichtigsten und bedeutendsten Gewässernamenforscher, stellt fünf Schichten fest, die im Folgenden näher erläutert werden. Deutsche Namen Deutsche Namen gehören der jüngsten Gewässernamenschicht an. Die morphologische Struktur allein kann kein Indiz dafür sein, da sowohl mehrstämmige als auch einstämmige deutsche Namen zu finden sind. Kompositionen mit -bach (Fischbach) oder -graben (Landgraben) haben jedoch die höchste Produktivität hinsichtlich der Namensgebung. Heutzutage gilt -bach als das Flussnamengrundwort und ist die geläufigste Bezeichnung für fließende Gewässer im heutigen Sprachgebrauch. Der Grund hierfür liegt darin, dass das Grundwort -bach sowohl in der Schriftsprache als auch in den Dialekten verwendet werden kann. Etwa 65-80% aller Gewässer in Deutschland enthalten das Grundwort -bach im Namen (vgl. Krahe 1964: 18)

Slawische Namen sind älter als deutsche Namen und stehen somit unterhalb der deutschen Gewässernamensschicht. Slawische Namen sind überwiegend in den Gebieten östlich der Elbe und der Saale und um den Obermain, in Kärnten und in der Steiermark zu finden. Dort wurde vom 6. Jahrhundert bis ins 12. Jahrhundert Slawisch gesprochen. Dieser sprachliche Einfluss schlägt sich auch in der Hydronymie nieder. Charakteristisch sind derivative Gewässernamen mit den slawischen Suffixen -ica, -nica > dt. -itz (Geßnitz, Briesnitz) sowie Simplizia. Kompositionen sind nicht bekannt (vgl. Greule 1985: 3533).
Germanische Namen bilden die drittälteste Schicht. Typisch sind Kompositionen mit dem Grundwort -aha, das häufigste germanische Flussnamengrundwort. Diese Suffix geht vermutlich auf das germanische Wort *ahwo Wasser, das mit lat. aqua verwandt ist, zurück. Heutzutage bewahrt sich -aha als -ach in den neueren deutschen Hydronymen, vor allem im südlichen Teil Deutschlands. Auch Derivata (Glött < *Gladjo zu althd. glat ‘glänzend’, Notter < *Natro zu as. nat ‘nass’) sowie Simplizia (Bland < germ. *Blando ‘die Trübe’) sind möglich (vgl. Krahe 1964: 21-22).
Keltische Namen sind vor allem in West- und Süddeutschland zu finden und älterer Herkunft als germanische Namen. Auffällig sind Derivata mit den Suffixen -l (Mindel < Mindula (1076) zu air. mend, mind ‘klar’) oder -s (Ybbs < in campo Ibose (788) zu gall. ivo- ‘Eibe’). Simplizia (Glan < inselkelt. glan ‘hell, rein’) sind ebenfalls zahlreich vertreten (vgl. Greule 1985: 3534). Keltischer Herkunft ist der Wortstamm *dubro- ‘Wasser’ und somit alle andere Bezeichnungen, die darauf zurückgehen (Douvre in Frankreich, Verdouble, Vernoublan in der Schweiz < *Verno-dubrum oder *Verna-dubrum ‘Erlen-Wasser’). Häufig tauchen auch Konstruktionen mit dem Adjektiv kelt. kambo- ‘krumm’ (Cambus > Kamp in Niederösterreich) auf (vgl. Krahe 1964: 87-93).
Indogermanische Namen, von Krahe (1964: 15) auch alteuropäisch genannt, zählen zu der ältesten Gewässernamensschicht. Schmid (1995: 756) stellt fünf Bedingungen auf, um alteuropäische Namen als solche zu identifizieren. Diese sind folgende:

  1. Der Name darf nicht aus einer der Sprachen erklärbar sein, die an dem mit ihm benannten Gewässer gesprochen werden oder wurden.
  2. Er muss ein idg. Etymon haben.
  3. Seine Semantik muss im Wortfeld ‘Wasser, Fließen, Flüssigkeit’ bzw. Eigenschaften des Wassers liegen.
  4. Der Name muss ein in Europa fließendes oder stehendes Gewässer benennen.
  5. Er muss in Europa mindestens einen altertümlichen wurzel- oder strukturverwandten Namen als Entsprechung haben.

Aus den ersten zwei Kriterien geht hervor, dass alteuropäische Namen ausschließlich indogermanischer Herkunft sein dürfen. Das Alter solcher Hydronyme wird auf etwa 3500 Jahre geschätzt. Man geht davon aus, dass diese Gewässer bereits vor 1500 v. Chr. benannt waren, dem Zeitraum des Indogermanischen; das heißt noch vor der Ausgliederung der Einzelsprachen. Ein weiteres Kriterium ist die Benennung eines Gewässers nach indogermanischen Wasserwörtern. Wie bereits erwähnt, stimmt Krahe (1964: 15) zu, dass es sich bei diesem Benennungsmotiv um das Älteste handeln dürfte. Die Art des Gewässers, fließend oder stehend, bleibt unberücksichtigt. Das letze Kriterium schließt zu einem gewissen Grad das erste Kriterium mit ein. Da man annimmt, dass indogermanische Hydronyme bereits vor der Ausgliederung der Einzelsprachen existierten, ist es somit auch wahrscheinlich in einem bestimmten Gebiet gleiche oder zumindest miteinander verwandte Gewässernamen zu finden (vgl. Schmid 1995: 756).

Rekapitulierend kann festgehalten werden, dass sich Hydronyme in fünf historische Schichten gliedern lassen. Das älteste Stratum bilden die älteuropäischen Namen, gefolgt von den keltischen, germanischen und slawischen Namen. Die deutschen Namen stellen die jüngste Gewässernamensschicht dar. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass man bei einigen Hydronymen auf Vermutungen angewiesen ist, da historische Belege fehlen oder etymologische Rekonstruktionen nicht möglich sind.

3. Anwendung auf deutschen Alpenvorraum

In den vorhergehenden Kapiteln sind die Grundlagen für die Gewässernamenforschung (Morphologie, Semantik und historische Schichtung) dargelegt. Anhand dieser Kenntnisse sollen nun die Gewässer im deutschen Alpenvorland untersucht werden.

3.1. Vorgehensweise

Für die Untersuchung werden ausschließlich Gewässer aus dem deutschen Alpenvorland beachtet. Es soll außerdem versucht werden, alle fünf historische Schichten abzudecken. Als Orientierung dient die Liste der 100 längsten Gewässer des Bayerischen Landesamt für Umwelt (http://www.lfu.bayern.de/wasser/gewaesserverzeichnisse/fachlicher_hintergrund/index.htm), mithilfe derer die Gewässer ausgewählt wurden. Auch Seen finden in der Untersuchung Berücksichtigung. In einem nächsten Schritt werden alle Gewässer mithilfe von Google Maps georeferenziert und mit Kommentaren zu Morphologie, Semantik und Zugehörigkeit zur historischen Schichtung versehen.

3.2. Darstellung der Resultate

Die Ergebnisse sind in der folgenden Darstellung aufgelistet:

Hydronym Morphologie Semantik Zugehörigkeit zur historischen Schicht
Kollbach Komposition mit Grundwort -aha (Fließgewässer) und kalb (junges Rind), Grundform: ahd. *Kalb-aha (vgl. Greule 2014: 963, 1045) (9) Menschliche Einrichtungen und Nutzungsweise:

Fluss, an dem Kälber gehalten werden (vgl. Greule 2014: 963, 1045)

dt.
Kößlarner Bach einst: Kirchbach, Komposition mit ahd. Bestimmungswort Chirih- und Grundwort -pah (vgl. Greule 2014: 1010) unklar, da keine Kirche in der Nähe nachweisbar (vgl. Greule 2014: 1010) dt.
Rott Adjektiv-Attribut mit Grundform ahd. *Rota (die Rote) (vgl. Greule 2014: 1707) (5) Gestalt und Beschaffenheit des Bachbetts oder Ufer: Eisen-, kupferhaltiges Wasser, rötliches Gestein im Wasser, Bachbett oder an den Ufern (vgl. Greule 2014: 1707) dt.
Walchensee Grundform mhd. *Walhen-s̄e, Kompositum mit dem Grundwort mhd. s̄e ‘See’ und dem Genitiv des PN. ahd. *Walho (Gen. *Walhin-/*Walhen-) als Bestimmungswort (vgl. Greule 2014: 2183) (12) Siedlung:

PN ahd. *Walho (vgl. Greule 2014: 2183)

dt.
Wörthsee Grundform mhd. *Wert-s̄e ‘See mit einer Insel’, Kompositum mit dem Grundwort mhd. s̄e ‘See’ und mhd. wert, ahd. werid ‚Insel’ (vgl. Greule 2014: 2196) (7) Umgebung: Insel (vgl. Greule 2014: 2196) dt.
Feistritz Derivation, über mhd. *Fiustrize < slaw.*Bystrica, sloven. bistrica ‘Wildbach, Gießbach’ von slaw. bystrz ‘schnell, rasch’.

(vgl. Greule 2014: 515)

(3) Bewegung des Wassers ((vgl. Greule 2014: 515) slav.
Granitzenbach Slaw. *Gradьnica ‘Burg-Bach’, Derivation vom Adjektiv slaw. *gradьn- ‘zur Burg gehörend’ (slaw. *gradъ ‘Burg, umzäunter Ort’).(vgl. Greule 2014: 694) (12) Siedlung oder Gebäude: Nähe zur Burg (vgl. Greule 2014: 694) slav.
Glött Grundform mhd. *Glette, ahd. *Gletta < gm. *Glad- f., Derivation mit j-Suffix von gm. *glada ‘glatt, schlüpfrig’, ahd. glat ‘hell, leuchtend, strahlend; klar, ungetrübt’ (vgl. Greule 2014: 667) (2) Eigenschaft des Wassers: Klarheit und Ungetrübtheit des Wassers (vgl. Greule 2014: 667) germ.
Loisach Grundform ahd. Liubasa/-isa, Komposition über mhd. *Liubesach , synkopiert *Liubsach, assimiliert (-bs- > -s-) und diphthongiert > Leusach/Loisach basierend auf germ. Nomen mit -iz/-az-Stamm (*leub-iz-/-az-), vgl. germ. Adj. *leuba ‘geliebt’ (vgl. Greule 2014: 1216) (3) Bewegung des Wassers: Ruhiges Fließen nach dem Austritt aus dem Gebirge (vgl. Greule 2014: 1216) germ.
Vils Grundform ahd. Filusa < gm. *Felusō ist eine s-Ableitung von (erschlossenem) wgerm. *felu- ‘Sumpfwald’ (?)

(vgl. Greule 2014: 2155)

(7) Umgebung (Flora): *Felusō könnte ursprünglich ‘Flusslauf mit/im Sumpfwald’ bedeutet haben (vgl. Greule 2014: 2155) germ.
Gennach Ausgangsform ahd. *Gennenaha > mhd. Gennach, Kompositum mit dem Grundwort ahd. aha ‘Fließgewässer’ und dem Genitiv des PN. ahd. Genno (*Gennen-) als Bestimmungswort.

(vgl. Greule 2014: 626)

(12) Siedlung: PN (vgl. Greule 2014: 626) germ.
Pfreimd Ausgangsform vorslaw./germ. *Fr̄īma. Derivation aus Adj. urig. *priH-- > germ. *fr̄īma-‘vertraut, geliebt’ (vgl. Greule 2014: 1534) (3) Bewegung des Wassers: Ruhiges Fließen (vgl. Greule 2014: 1534) germ.
Inn „Unter der Annahme, dass kelt. *Enos auf vorkelt. *penos zurückgeht, kann der Name an ablautendes (ig.) in apreuß. pannean ‘Moorbruch’, gm. *fanja ‘Schlamm’ (got. fani, span., italien. fango) angeschlossen werden. Eine Anbindung von (ig.) *penos an den Verbstamm ig. *pen- ‘füttern, nähren’ (lit. penù ‘füttere, mäste’, lat. penus ‘Nahrung, Proviant’) als Nomen actionis ‘womit, woraus man füttert, nährt, tränkt’ würde die Bedeutung von Enos (‘das Wasser’) präzisieren und einen Bedeutungswandel von ‘Nahrungsstelle’ (ig.) zu ‘Gewässer, Wasser’ (kelt.) und zur Spezialbedeutung ‘Moor, Schlamm’ (balt. germ.) nahelegen. (Greule 2014: 907)“. (1) Wasserwörter: idg. Wurzel *en- (Gewässer) (vgl. Greule 2014: 907) celt.
Iller Grundform ahd. *Ilira, unter dem Einfluss von PN. Hilarius auch *Hilara und Ilara < kelt. *Elirā ‘die Antreibende’, Derivation mit r-Suffix von kelt. *eli-, (‘wird treiben’) (vgl. Greule 2014: 894) (1) Wasserwörter (vgl. Greule 2014: 894) celt.
Amper Grundform ahd./abair. Ampra. In Anbetracht der Tatsache, dass der FlN. Ambra in Oberitalien, Südfrankreich, England und Wales verbreitet ist, liegt eine Erklärung als keltischer Name nahe. Kelt. *Ambrā aus Verbaladjektiv ig. *nebh- ‘feucht werden, bewölkt werden’ (‘feucht’) (vgl. Greule 2014: 109) (1) Wasserwörter (vgl. Greule 2014: 109) celt.
Kammel Grundform *Kambalā, durch l-Derivation von kelt. *kambo- ‘gekrümmt’  (vgl. Greule 2014: 968) (6) Gestaltung des Flusslaufs (vgl. Greule 2014: 968) celt.
Ammer(-see) Kompositum mit dem Grundwort mhd. ‘See’ und dem FlN. Amper als Bestimmungswort (vgl. Greule 2014: 108) Wasserwörter

(vgl. Greule 2014: 108)

celt.
Chiemsee Komposition des ON. Chieming mit ahd. s̄eo ‘See’ entstanden und bedeutet ‘See, an dem Chieming liegt’ (vgl. Greule 2014: 284) (12) Siedlung: ON

(vgl. Greule 2014: 284)

celt.
Lech Flussname wird auf vorgerm. *Likos zurückgeführt, Derivation von indogerm. *leik- ‘biegen’ (‘Gebogener’) < urigerm.*uleik (‘befeuchten’) (vgl. Greule 2014: 1143-1144) Wasserwörter

(vgl. Greule 2014: 1143-1144)

alteurop.
Donau Grundform ves.-igerm. Danevios, Derivation von urigerm. *déhnu- ‘Fluss, Flüssigkeit’, jung-avest. dānu ‘Fluss’,

(vgl. Greule 2014: 352)

(1) Wasserwörter (vgl. Greule 2014: 352) alteurop.
Isar „Grundform Isara neben Isura < ves.-igerm. *Isǝrā ‘die Antreibende’, Femininum zum urig. Verbaladjektiv *hish-ró-s (urig. *heish- ‘kräftigen, antreiben’). Gleicher Herkunft sind Iser, Eisack, ferner Isère. Die Verbreitung des Gewässernamens Isara/Isura ist auf einst keltischsprachiges Gebiet beschränkt. (Greule 2014: 913)“. (1) Wasserwörter (Fließendes Gewässer?) alteurop.
Günz Grundform Guntia durch Derivation des Verbs igerm. *ĝheu- ‘gießen’

(vgl. Greule 2014: 730)

(4) Wasserreichtum: Deutung ‘wasserreicher Fluss’ möglich (vgl. Greule 2014: 730) alteurop.
Isen s. Isar (vgl. Greule 2014: 917) (1) Wasserwörter (?) alteurop.

3.3. Problematik

Im Rahmen der Untersuchung ergaben sich jedoch auch Probleme bei den größeren Flüssen. Das sind Hydronyme, die, aufgrund ihrer Kontinuität und ihrer Übernahme durch die jüngere Schicht, nur schwer einer Kategorie zuzuordnen sind. Hier sei beispielsweise die Donau genannt, in deren Fall eine keltisch-alteuropäische Kontinuität festzustellen ist. Das Hydronym Donau geht auf das indogermanische danu- ‘Flüssigkeit, Tropfen’ zurück, wobei sich deutliche Parallelen im Keltischen (*Danuvia, *Danovia) feststellen lassen. Das Keltische ist schließlich aus dem Alteuropäischen hervorgegangen, sodass sachliche und formale Merkmale fortgeführt wurden (vgl. Krahe 1964: 87, 103).

Es lässt sich auch beobachten, dass Hydronyme fälschlicherweise auf das Keltische zurückgeführt werden, wenn diese nicht aus dem Deutschen oder Germanischen erklärbar sind. Dies ist im Falle des Namens Inn bemerkbar. Pokorny (Idg. etym. Wb.: 807) bezweifelt, dass dem Hydronym Inn das keltische eno- (< *peno-) zugrunde liegt. Wahrscheinlicher scheint eine ältere Gruppe von Namen mit der Basis *en-/*on-, zu der auch Ana > Ahne (Nfl. der Fulda), *Ania > Agna (Nfl. des Chiese in Oberitalien und Bach in der Nähe von Arezzo), *Anios > Agno (Bach bei Lugano und Trento), Anara > Anner (Nfl. der Lahn), Anisa > Enns (Nfl. der Donau) gehören (vgl. Krahe 1964: 105). Jedoch darf nicht bezweifelt werden, dass zahlreiche Hydronyme existieren, die tatsächlich keltischen Ursprungs sind. Dies lässt sich auch in der eigene Analyse nachweisen, da es sich als unproblematisch erwies, Beispiele für die keltische Gewässernamenschicht zu finden.

4. Schluss

Die vorliegende Arbeit hat zunächst gezeigt, wie Gewässernamen morphologisch aufgebaut sein können. Anschließend wurde näher auf die Semantik und die historische Schichtung der Hydronyme eingegangen, sodass eine Klassifizierung der Gewässerbezeichnungen nach ihrem Alter ermöglicht wurde. Daraus ging die Erkenntnis hervor, dass Hydronyme wichtige Informationen enthalten und über Jahrhunderte bewahren. So kann es beispielsweise auch passieren, dass Gewässer ähnliche Namen erhalten, aufgrund gleichen Ursprungs, Alters und Semantik.

In vielen Fällen, stellt es sich als schwierig dar, Etyma zu rekonstruieren, sobald historische Belege fehlen. Oftmals wird versucht, aufgrund von Lautverschiebungen, morphologischen Veränderungen oder semantischen Rückschlüssen, Rekonstruktionen zu erklären. Diese sind jedoch nicht immer nachvollziehbar. Der praktische Teil, Hydronyme des deutschen Alpenvorlands georeferenziert darzustellen, erwies sich hingegen weniger problematisch, da für jede historische Schicht mehrere Hydronyme gefunden werden konnten.

Bibliographie

Greule, Albrecht (2014): Deutsches Gewässernamenbuch. Etymologie der Gewässernamen und der dazugehörigen Gebiets-, Siedlungs- und Flurnamen, Berlin/Boston: De Gruyter.

Greule, Albrecht (21985): “Überblick über Geschichte und Typen der deutschen Gewässernamen“. In: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, Werner Besch, Anne Betten,Oskar Reichmann, Stefan Sonderegger (Hrsg.), 4. Teilband. Berlin: De Gruyter, 3530-3535.

Krahe, Hans (1964): Unsere ältesten Flussnamen, Wiesbaden: Harrassowitz.

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