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Sprache und Tourismus: Frames und Multimodalität




1. Frame-Semantik

Von Charles Fillmore entwickelter Formalismus zur semant. Beschreibung lexikal. Einheiten, die untereinander zu einem semant. Netz verknüpft sind. (Glück 2016, 'Frame-Semantik')

  • unterschiedliche Wortarten können die Slots eines FRAMES füllen (= Unterschied zum Wortfeld), dabei gibt es zentrale und periphere Slots (= Core und Non-Core)
  • Beispiel: KRISE / CRISIS = Frame 'Catastrophe' (vgl. Fillmore et al. 1997-2023)
  • Core slots: Patient [Pat] und Undesirable_event [Evnt] (=WER erlebt WAS?)
  • Non-core slots: Cause [Ursache], Circumstances [Umstände], Degree [Ausmaß], Manner [Art und Weise], Place [Ort],  Time [Zeitpunkt]
  • Beispiel: Werbung für Südafrika-Reisen in München-Neuried:

    Mit Kindern reisen - Südafrika malariafrei Begeben Sie sich abseits der bekannten Reiserouten nach Südafrika. Erleben Sie die Big Five im viertgrößten Wildreservat Südafrikas am Rande der Kalahari - im Madikwe Game Reserve. Genießen Sie das Freizeitresort Sun City und die wunderschöne Waterberg Region. Besonders geeignet für Familien, da diese Gebiete alle malariafrei sind. [2020]

     

  • Pat = Kinder / Familien
  • Evnt = Malaria
  • Weitere gefüllte non-core slots:
    • Place = Südafrika, Kalahari, Madikwe Game Reserve, Sun City, Waterberg
    • Circumstances = reisen
    • Degree = malariafrei
    • Time = August 2020

💡 Warum ist das für die linguistische Untersuchung von touristischen Diskursen interessant?

...

Werden alle gesammelte Daten auf wiederkehrende frames und die gefüllten bzw. nicht gefüllten slots untersucht, werden aus den vielen Einzelbefunden heraus auf einmal Regularitäten (oder Disparitäten) sichtbar. 

2. Semiotik: Multimodalität von Zeichen

Stöckl, Hartmut (2006): „Zeichen, Text und Sinn – Theorie und Praxis der multimodalen Textanalyse“, in: Eckkrammer, Eva Martha/Held, Gudrun (Hrsg.): Textsemiotik. Studien zu multimodalen Medientexten, Frankfurt am Main: Lang, 11-36. Vgl. auch Stöckl 2012, 248f.

  • Stöckl 2006 / Stöckl 2012, 248f.: Jede Textsorte wird durch verschiedene Modalitäten / Codes konstituiert:
    • Text > Sprache als Code (Sender, Empfänger, Referenz, ... [Jakobson])
    • Bild, Typographie > visueller Code
    • Geräusche, Musik > auditiver Code
  • Darstellungs- und Deutungspotenziale der Modalitäten unterscheiden sich:
    • Sprache = symbolisch mit bestimmter Illokution, zeitlicher Abfolge
    • Bild = ikonisch mit räumlicher Situierung, kann statisch oder dynamisch sein (vgl. Foto vs. Video)
    • Typographie = ikonisch und symbolisch mit strukturierender Intention
    • Musik = "direkte Verbindung ins limbische System" (Emotion)
    • Geräusch = indexikalisch ohne Kommunikationsabsicht

💡 Welche Modi spielen für die Analyse touristischer Diskurse eine Rolle?

  • mit Schmitz 2016 handelt es sich oft um öffentliche, nicht flüchtige Kommunikationsformen, die v.a. rezipiert werden ('Einweg') und sich in der Regel des Schriftcodes sowie (unter Umständen) auch des Bildcodes (statisch und dynamisch) und des auditiven Codes bedienen = Text-Bild-Ton-Kongruenz

    Abbildung aus Schmitz 2016: 337

     
  • das Verhältnis kann dabei variieren (ebenfalls Schmitz 2016, 340): Reiseführer = vorwiegend schriftlich, Plakate = vorwiegend bildlich
  • wichtig für die multimodale Analyse: Wechselwirkung der Modalitäten
    Stöckl 2006 Schmitz 2016, 339 Erklärung
    additiv Redundanz Text und Bild verstärken sich
    komplementär Komplementarität Text und Bild ergänzen sich (2 Seiten derselben Sache)
    hierarchisch Dominanz Text oder Bild werden erst im Kontext des anderen Codes verstanden
    divergent Diskrepanz Text und Bild liefern  Informationen zu verschiedenen Aspekten
    konfliktiv Kontradiktion Text und Bild liefern unterschiedliche Informationen zu derselben Sache

    ➡ Der Bildcode kann einen Frame auslösen, der im Text nicht vorkommt (und umgekehrt)!

3. Übungsaufgabe

Diskutieren Sie mit Ihren Kommilitoninnen die nachstehenden Beispiele zum Thema "touristische Anzeigen in München für romanischsprachige Länder" unter folgenden Gesichtspunkten:

  • Welche Frames werden jeweils durch Text und/oder Bild ausgelöst?
  • Gibt es einen gemeinsamen Frame für alle 3 Beispiele?
  • Werden stets dieselben Slots gefüllt?
  • In welchem Verhältnis stehen Text und Bild jeweils?

Beispiel 1 (München-Haidhausen)

Beispiel 2 / I

Beispiel 2 / II

Beispiel 3 / I

Beispiel 3 / II

Bibliographie

  • Fillmore et al. 1997-2023 = Fillmore et al., Charles J. (1997-2023): FrameNet maps meaning to form in contemporary English through the theory of Frame Semantics, Berkeley (Link).
  • Glück 2016 = Glück, Helmut (Hrsg.) (52016): Metzler Lexikon Sprache, Stuttgart, Metzler, 699.
  • Schmitz 2016 = Schmitz, Ulrich (2016): 14. Multimodale Texttypologie, in: Klug, Nina-Maria / Stöckl, Hartmut (Hgg.): Handbuch Sprache im multimodalen Kontext, Berlin, De Gruyter, 327-347 [Handbücher Sprachwissen [HSW], Band 7] (Link).
  • Stöckl 2006 = Stöckl, Hartmut (2006): Zeichen, Text und Sinn – Theorie und Praxis der multimodalen Textanalyse, in: Eckkrammer, E.M./Held, G. (ed.), Textsemiotik. Studien zu multimodalen Medientexten (= Sprache im Kontext)., Frankfurt am Main, Peter Lang, 11-36 (Link).
  • Stöckl 2006b = Stöckl (2006): NEUER LINK (Link).
  • Stöckl 2012 = Stöckl, Hartmut (2012): Werbekommunikation semiotisch, in: Janich, Nina (Hrsg.): Handbuch Werbekommunikation. Sprachwissenschaftliche und interdisziplinäre Zugänge, Tübingen, Narr / A. Francke / UTB, 243-262 (Link).

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