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2.1 Die Italia Spagnola




Die Verbindung Italiens und Spaniens, welche als erste merklich zur Präsenz kastilischer und katalanischer Familiennamen (FN) auf der Apenninhalbinsel führte, hat ihre Wurzeln in der Zeit, als große Teile des Landes von spanischen Herrschern regiert wurden. Diese Periode wird demnach als Italia Spagnola bezeichnet. Doch was genau bedeutet dieser Begriff, welche Gebiete umfasst er und in welcher zeitlichen Periode wird er verortet?

Krefeld definiert das Konzept der Italia Spagnola als eine nicht sehr präzise zu beschreibende geopolitische Epoche. Er zerlegt die beiden Termini und bezeichnet den ersten („Italia“) als die Gebiete Italiens, welche aus politischer Sicht von ca. 1503 bis 1713 spanischer Herrschaft unterlagen. Hierzu werden einerseits die Territorien auf dem Festland, das Fürstentum Mailand und der Stato dei Presidi in der Toskana (nach der Enzyklopädie Treccani der Landvorsprung  an der toskanischen Südküste und ein Teil der Insel Elba [vgl. treccani.it]), „[le] due Sicilie“ (Krefeld 2013: 1) – welche das Königreich Neapel sowie die Insel Sizilien umfassen –, andererseits aber auch Sardinien gezählt. Der zweite Terminus „spagnola“ beinhaltet den Zeitraum der aragonesischen Herrschaft vor der Vereinigung des Reiches mit der Kastilischen Krone 1474. Seit 1282 unterlag damit Sizilien und seit 1323 auch Sardinien dem dominio aragonese bzw. spagnolo. „Detto questo il concetto ‘Italia spagnola’ va inteso come ‘penisola appenninica e isole nel periodo della parziale appartenenza alla Corona d’Aragona e alla Spagna’” (ebd.: 1 f.) und erstreckt sich über einen Gesamtzeitraum von 1282 bis 1734 (vgl. Krefeld 2013: 1 f.).
Das erste italienische Gebiet, welches von den Spaniern in Besitz genommen wurde, war die Insel Sizilien, die von 1282 bis 1713 den Familien der aragonesischen Könige Gehorsam leisten musste. Nachdem das spanische Heer 1283 auch Einzug in Kalabrien hielt, machte es sich schließlich weitere Gebiete des späteren Regno di Napoli zu eigen (vgl. Estévez Fernández 1964: 70 ff.). Es folgte 1326 die endgültige Inbesitznahme Sardiniens, 1499 eine erste Belagerung Mailands und schließlich 1443 die des gesamten Königreichs Neapel (heute der Süden Italiens bis zur Grenze Latiums, des damaligen Kirchenstaates). Diese Zeit der Eroberungen war v. a. geprägt durch Kriege und Schlachten zwischen Spanien und Frankreich, die um die territoriale Macht in Italien kämpften (vgl. ebd.: 84-99), wobei die Spanier den Großteil der Siege verbuchten und die Franzosen aus den belagerten Gebieten nach und nach verdrängten (vgl. ebd.: 99-128). So geschah es, dass 1503 Neapel durch einen triumphalen Sieg des spanischen Heeres über die Franzosen endgültig der iberischen Macht gesichert war (vgl. ebd.: 121 f.), 1535 die Spanier das Fürstentum Mailand und 1555 den Stato dei Presidi offiziell eroberten. Im Jahre 1557 gehörten schließlich das Königreich Neapel, Sizilien, Sardinien sowie das Fürstentum Mailand und der Stato dei Presidi zur spanischen Macht, was durch den Frieden von Chateau-Cambrésis 1559 besiegelt wurde (vgl. ebd.: 128-132). Da die österreichischen Habsburger sich im Rahmen des spanischen Erbfolgekriegs schließlich im Vorrecht um den spanischen Thron glaubten, begannen erneut Kriege in Norditalien, bei denen nun Spanier gemeinsam mit Franzosen gegen diese kämpften. Trotz teilweiser Oberhand der Spanier, konnten die Österreicher ihnen 1706 Mailand entreißen (vgl. ebd.: 176). Durch einen späteren Zusammenschluss des Papstes, Venedigs und Genuas mit Frankreich, verloren die Spanier 1707 einige weitere Gebiete. Dem folgte der Fall Neapels und Sardiniens 1708. Schließlich kam es 1714 zum Frieden von Utrecht, welcher die Abgabe Sardiniens, Mailands und Neapels von Spanien an Österreich bekräftigte. Sizilien ging an Savoyen, wobei die Insel 1720 gegen Sardinien ausgetauscht wurde, was einen endgültigen Wechsel der Herrschaft in den durch Spanien eroberten Gebieten Italiens bedeutete (vgl. ebd.: 177 ff.). Die Abneigung gegenüber den spanischen Herrschern von Seiten des italienischen Volkes wird auch als sog. „Antispagnolismo“ (Benigno 1994: 119 f.) bezeichnet. Die Haltung gegenüber den Spaniern war jedoch zweigeteilt: Einerseits profitierte das Land von deren Heeresmacht und der Verteidigung vor Feinden, andererseits zerstörte der iberische Besetzer auch viele italienische Städte in den zahlreichen Kriegen und das Volk erlitt Diskriminierung und Unterdrückung seitens der spanischen Soldaten (vgl. Croce 1917: 230-235). Bereits seit dem frühen 16. Jh. begannen Proteste und Revolten gegen die spanische Aristokratie in Neapel (vgl. Villari 1976: 33 ff.). In den niederen gesellschaftlichen Schichten machte sich der Wunsch nach Unabhängigkeit und Mitspracherecht bemerkbar. Diese von Neapel ausgehende Revolution breitete sich in ganz Italien aus und Mitte des 17. Jh. wurde schließlich ein neues soziales Gleichgewicht aufgestellt (vgl. ebd.: 37 ff./121 ff./241).

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An dieser Stelle soll nun auch die Rolle des Kirchenstaats Rom, welcher nicht Teil der Italia Spagnola war, für die Fragestellung nach der Verteilung spanischer Nachnamen in Italien dargestellt werden. Seit dem spanischen Königspaar Ferdinand und Isabella erhielt Rom die finanzielle Unterstützung Spaniens für die Instandhaltung religiöser Bauten. So stärkten die spanischen Machthaber dort ihren Ruf und das iberische Reich mit seinen Territorien im Süden Italiens wurde mehr und mehr zum Gönner der Stadt. Dadurch erlangten auch die Spanier Rodrigo Borja und Alonso de Borja Pontifikate, welche die spanische Präsenz im Leben der italienischen Stadt verstärkten und verankerten (vgl. Dandelet 2001: 1 ff.). Das Verhältnis zwischen Spanien und Rom kann als eine Art Symbiose bezeichnet werden, da die Stadt einerseits vom Schutz Iberiens profitierte, der Halbinsel jedoch im Gegenzug eine Sonderstellung als wichtigster Patron Roms eingeräumt wurde (vgl. ebd.: 4 ff.). Als Zentrum des Katholizismus war es für Spanien von großer Wichtigkeit und wurde zu dessen Mittelpunkt in den Bereichen der Religion, aber auch der internationalen Politik und Diplomatie. Unter Felipe II erreichte das Verhältnis der Beiden seinen Höhepunkt, da während seiner Amtszeit sehr viele Spanier nach Rom immigrierten, welche alle Bereiche der Gesellschaft (Wirtschaft, Politik, Kultur) beeinflussten und im späten 16. Jh. ein Drittel der römischen Bevölkerung ausmachten (vgl. ebd.: 7 ff.). Es entstanden wahrhaft spanische Bezirke in der Stadt, deren ursprünglich spanische Bewohner sich mehr und mehr als Italiener identifizierten und es wurden zahlreiche Kinder durch Verbindungen zwischen Spaniern und Italienern zur Welt gebracht (vgl. ebd.: 109/158 f.). Der sog. „informal imperialism“ (ebd.: 9), der Rom durch Freundlichkeit anstelle militärischer Gewalt eroberte, bescherte der Stadt 150 friedliche Jahre bis der Spanische Erbfolgekrieg Anfang des 18. Jh. das Ende des „Spanischen Roms“ bedeutete (vgl. ebd.: 213 f.).
Neben der „Ewigen Stadt“ waren noch weitere Gebiete Italiens außerhalb der Italia Spagnola Wirkungsorte der Spanier. Sie unternahmen beispielsweise Eroberungsversuche in Bologna, Cardona, Ravenna, in der Toskana und der Lombardei, marschierten durch Parma, Genua und den Piemont (vgl. Croce 1917: 215 ff.).
So ergibt sich ein weit gespanntes Netz italienischer Gebiete, deren Eroberung durch die spanische Macht zum Teil erfolgreich, zum Teil nicht erfolgreich war, zum Teil lange Zeit, zum Teil kürzere Zeit deren Herrschaft unterlag. Durch die Präsenz und das Wirken des Reino de España hinterließen Soldaten, Heeresanführer sowie allgemein Menschen, die während dessen Regierungszeit von Spanien nach Italien migrierten, zahlreiche Spuren, welche in einem abschließenden Punkt dieses Kapitels aufgezeigt werden. Im Folgenden wird jedoch zunächst auf die Verflechtungen der beiden Staaten seit der Gründung des Regno d’Italia eingegangen.

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