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2.4 Binnenmigration in Italien




Die Binnenmigration in Italien kann unterschiedliche Einflüsse auf die Verbreitung der dortigen Familiennamen haben. Inwiefern dies tatsächlich der Fall ist und auf welche Weise die Wanderungen der Bevölkerung die Interpretation der Verbreitung spanischer FN in Italien beeinflussen bzw. ob sie einen Störfaktor für das Ergebnis der Arbeit darstellen könnten, soll ausführlich im Endergebnis der Analyse unter Punkt 4.5 erläutert werden.
Seit dem 19. Jh. dominierte v. a. die rurale und periodische Migration im Land. Viele Menschen pendelten zwischen Wohn- und Arbeitsort und es ergab sich ein dynamischer Prozess der Saison-Arbeit (vgl. Gallo 2012: 7-11). Mit der wachsenden Industrialisierung stieg auch die Mobilität der Bevölkerung an und die Möglichkeiten, dort hin zu gehen, wo es Arbeit gab, verbesserten sich zunehmend (vgl. ebd.: 11-15). Durch die langjährige Aufteilung Italiens in viele kleinere Verwaltungsbezirke, bildeten sich die Zentren, in denen sich eine stabile Ökonomie entwickelte, in mehreren Gebieten heraus. Besonders Turin, Florenz, Mailand und Rom besaßen die Voraussetzungen, ein solches Zentrum darzustellen (vgl. ebd.: 58 ff.). Die heutige Hauptstadt entwickelte sich zu einem Schmelztiegel der Regionen Italiens und verzeichnete von 1901-1911 einen Einwohneranstieg von 424.943 auf 522.123. Für den Zeitraum von 1872-1901 ergibt sich folgendes Bild bezüglich des Einwanderungssaldos (Differenz aus Zu- und Abwanderung) für die Hauptstädte der italienischen Wirtschaft: Rom 196.782 Einwohner (EW), Mailand 191.976 EW, Turin 105.074 EW, Neapel 75.158 EW, Genua 61.637 EW, Bologna 44.522 EW, Florenz 39.476 EW. Diese Städte waren gekennzeichnet von einer regen Bautätigkeit, einer gut ausgebauten Infrastruktur mit öffentlichen Transportmitteln und einer deckenden Wasser- und Stromversorgung – Eigenschaften, welche sich aus günstigen wirtschaftlichen und geographischen Faktoren ergaben (vgl. ebd.: 61-65). Neben den großen Zentren entstanden im Umland durch die Politik der Dezentralisierung jedoch auch solche mittlerer Größe. Bis 1911 galt Rom als das Ziel schlechthin für die Suche nach Arbeit und einem besseren Leben. Dies sollte sich jedoch verändern, als der Norden Italiens mehr und mehr zum Ziel der Binnenmigration wurde (vgl. ebd.: 66-74). In den dortigen großen Agglomerationsräumen, dem „triangolo industriale“ (ebd.: 117) (Turin, Mailand, Genua) und Rom stieg die Bevölkerung kontinuierlich an, während der Süden nur schwaches bzw. kein Wachstum verzeichnen konnte (vgl. ebd.: 113-117). Dies wurde durch das Ausreiseverbot unter dem faschistischen Regime (seit ca. 1920) weiter angetrieben und damit verstärkte sich auch das Nord-Süd-Gefälle von reicher Industrie im Norden und armer Landbevölkerung im Süden Italiens (vgl. ebd.: 119-124). Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die intensivste Periode der Binnenmigration in Italien. Zwischen 1955 und 1975 wanderten rund 90.000 Menschen vom Süden in den italienischen Norden, 1962 bereits 222.000 und bis 1973 stieg die Zahl auf rund vier Mio. Von 1952 bis 1991 wechselten ca. 6.500.000 Bauern von der Agrarwirtschaft in die produktiveren Sektoren (v. a. Dienstleistungssektor) (vgl. Pugliese 2002: 38-42).
Durch den industriellen Aufschwung in den nördlichen Regionen waren erneut das „industrielle Dreieck“ und Rom Ziele der Arbeitsmigranten (vgl. ebd.: 45-49). Erst Mitte der 1970er Jahre ging die Einwanderung in diesen Städten durch die Ölkrise etwas zurück und auch die Gebiete im Nordosten begannen, sich als Wirtschaftszentren zu etablieren (vgl. ebd.: 64 ff.). In den 80er und 90er Jahren fand zeitweise eine Rückwanderung in ländliche Gebiete statt, einerseits, um dort eine neue Agrarwirtschaft aufzubauen, andererseits, da sich die Lebensverhältnisse dort verbessert hatten und die Nachfrage nach Arbeitskräften im Norden geschwunden war (vgl. ebd.: 67). Bereits Mitte der 1990er Jahre wurde jedoch wieder ein Anstieg der Süd-Nord-Wanderungen deutlich, der besonders die jüngeren Generationen auf der Suche nach gut bezahlter Arbeit betraf (vgl. Gallo 2012: 197 f.).

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Nachdem die historischen Verflechtungen zwischen Italien und Spanien zur Zeit der Italia Spagnola und nach der Unità d’Italia 1861 bis in die heutige Zeit, die Folgen des Einflusses der iberischen Herrschaft auf Italiens Gesellschaft sowie die dortige Binnenmigration seit dem 19. Jh. dargestellt wurde, kann nun auf die Wissenschaft der historischen Namenforschung in den beiden Ländern eingegangen werden.

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