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5. Zusammenfassung und Ausblick




Schlussbetrachtend kann gesagt werden, dass aufgrund der oben dargestellten Ergebnisse der Untersuchung die der Arbeit zugrunde liegenden Fragestellungen positiv beantwortet werden können. Die Analyse zur Arealdistribution kastilischer und katalanischer Familiennamen in Italien hat ergeben, dass diese sich auch heute noch in den Gebieten der ehemaligen Italia Spagnola, den von den Spaniern zwischen dem 15. und 18. Jh. dominierten italienischen Territorien – Sardinien, Sizilien, Süditalien als das ehemalige Königreich Neapel, dem Fürstentum Mailand und dem Stato dei Presidi in der Toskana – befinden. Auch deren qualitative Deutung lässt die Aussage zu, dass sich dabei durchaus die historischen Verknüpfungen der beiden Länder erkennen lassen. Darüber hinaus kann behauptet werden, dass sich die angewandte Methode und die Vorgehensweise für derartige Untersuchungen eignen. Die hier verwendete Namensdatenbank GENS stellt ein taugliches Mittel dar, um die Namengeographie in Italien zu untersuchen.
Nach einem historischen Überblick über das Verhältnis zwischen Spanien und Italien, der Definition des Begriffs der Italia Spagnola sowie der Verbindung der Länder seit 1861, wurden die Folgen der spanischen Herrschaft aufgezeigt. Es ergab sich, dass neben damaligen Einflüssen von Seiten Spaniens auf die italienische Wirtschaft und Politik die Auswirkungen auf das Sprachsystem und die Gesellschaft auch heute noch wahrzunehmen sind. So kam die katalanische (und ab dem 15. Jh. auch die kastilische) Sprache bereits ab dem 13. und 14. Jh. nach Sizilien und Sardinien und verbreitete sich über das Königreich Neapel sowie das Fürstentum Mailand als weitere Eroberungsgebiete schließlich in vielen Teilen Italiens. Dieser Prozess ging mit einer hohen Einwanderung der Spanier in die jeweiligen Territorien einher, da eine Sprache von ihrem Sprecher erzeugt wird. Daneben war auch Rom, als Zentrum der katholischen Kirche, eine bedeutende Stadt für das iberische Volk, da dort ebenfalls die spanische Bevölkerung und deren Kultur alle Bereiche des Lebens durchdrang. Diese Wanderungen brachten schließlich spanische FN nach Italien, welche den Fokus der vorliegenden Arbeit darstellen. Nachdem die historische Namenforschung v. a. im spanisch-italienischen Kontext beschrieben, Grundbegriffe zur Onomastik, dem Namensgebungssystem in Spanien und aktuelle Forschungstätigkeiten sowie künftige Potentiale im Bereich der Anthroponomastik und besonders der Familiennamenforschung, erläutert wurden, ist die durchgeführte Analyse zur Distribution dieser FN in Italien vorgestellt worden. Trotz einiger Störfaktoren, die sich einerseits durch natürliche Prozesse, wie die Binnenwanderung oder die Tatsache, dass manche FN sowohl dem spanischen als auch dem italienischen Sprachsystem zuzuordnen sind und sich andererseits aus technischen Gründen, wie der Suchoptionen nach FN mit fehlender Berücksichtigung von Sonderzeichen (Tilde, Akzent) ergeben, wurde erkannt, dass die Analyse insgesamt wertvolle und aussagekräftige Ergebnisse zu historischen Fakten, aber auch zu technischen Möglichkeiten der Forschung erzielt hat.
Da die Anthroponomastik und v. a. die Familiennamenforschung als vergleichsweise junge Teildisziplinen der Sprachwissenschaft gelten und der Forschungsstand in den einzelnen Ländern bisweilen noch hohe Diskrepanzen aufweist, möchte ich an dieser Stelle einen Ausblick geben, welche Potentiale darin stecken. Die Familiennamenforschung, insbesondere die Familiennamengeographie, kann neben quantitativen Fragen zur bloßen Häufigkeit von FN in einem bestimmten Gebiet auch Aufschluss über politische, ökonomische, kulturelle und soziale Gegebenheiten einer zeitlichen Periode geben. So hat Bauers Aussage, dass „alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens und der Umwelt, worin es sich abspielt, aufs engste mit Namen verknüpft [sind] […] [und] der Namenforschung daher durchaus der Rang einer Grundlagenwissenschaft [gebührt]“ (Bauer 1995: 16), in jedem Fall einen hohen Wahrheitsgehalt und kann durch die erhaltenen Ergebnisse bestätigt werden.
Die Wissenschaften, die sich mit solchen Problemen beschäftigen (Geschichtswissenschaft, Sozialwissenschaft, Sprachwissenschaft etc.), befinden sich aktuell in einer Zeit des Umbaus. Durch die in den letzten Jahren rasant gewachsenen technischen Mittel des Internets zur Erfassung großer Datenmengen, deren Speicherung und allgemeine Zugänglichkeit, sind die Kooperationsmöglichkeiten in einem interdisziplinären Feld stark gestiegen. Ein Bereich, welcher hier von wachsender Bedeutung ist, sind die Digital Humanities, welche sich damit beschäftigen, wie Informationen über das menschliche Leben mit all seinen Teilbereichen im Kontext zeitlicher, historischer und kultureller Epochen digital abgebildet und für Forschungszwecke zugänglich gemacht werden kann. Solche Forschungstätigkeiten sind bereits in vollem Gange und konstruieren potentielle Zukunftsszenarien (Siehe dazu u.a. Terras, Melissa/Nythan Julianne/Vanhoutte Edward (Hrsg.) (2013): Defining Digital Humanities. A Reader. Surrey/Burlington: Ashgate Publishing Company.; Presner, Todd/Shepard, David/kawano, Yoh (Hrsg.) (2014): Hyper Cities. Thick Mapping in the Digital Humanities. Cambridge (MA)/London (UK): Haravrd University Press.; Nguyen, Duyen/Hopwood Elisabeth (Hrsg.) (2005-2015): Digital Humanities Quarterly. Boston: The Alliance of Digital Humanities Organisations.). In einem Artikel der Online-Zeitschrift Digital Humanities Quarterly aus dem Jahr 2009 stellen Tom Elliott und Sean Gillies ein solches für den Einsatz von digitalen, interaktiven und interdisziplinären Karten für unterschiedliche Forschungsgebiete im Jahr 2017 dar. So wird es ihrer Ansicht nach durch die rasanten Entwicklungsprozesse technischer Möglichkeiten eine Revolution im Geo-Computing geben. Forscher werden somit durchgehend miteinander in Verbindung stehen, sie können sich virtuell auf elektronisch verfügbaren Landkarten bewegen, deren Orte mit unterschiedlichsten Daten wie Forschungsartikeln und anderen Informationsquellen verbunden sind. Zudem soll es möglich sein, analoge Texte zu digitalisieren, die vorkommenden Begriffe eindeutig zu separieren und mit einzelnen Orten auf der Welt, aber auch Personen, die sich auf ihr bewegen, zu verknüpfen. Bereits heute sind Kartenmaterialien online abruf- und erweiterbar. In Verbindung mit historischen Daten, wird es von Bedeutung sein, die Geographie mit der entsprechenden Epoche zu verbinden, was schon jetzt einen aktuellen Forschungstrend darstellt (vgl. Elliott & Gillies 2009). Für Fragestellungen, wie jene Verbreitung kastilischer und katalanischer Familiennamen in Italien und ihrer historischen Deutung könnten solche Techniken ungeahnte Potentiale bergen. Vorausgesetzt, die historischen Daten und Karten sind zugänglich und digitalisierbar, könnte sich der Forscher so bereits in naher Zukunft virtuell in die Zeit der Italia Spagnola versetzen und die Migrationsbewegungen sowie die Diffusion und Distribution der FN anhand der Verfolgung ihrer Träger aus nächster Nähe miterleben. Inwiefern solche Szenarien in der Realität umgesetzt werden können und in welchem Maße es überhaupt erstrebenswert ist, das komplette Leben von Menschen derart detailgetreu abzubilden bzw. eine solch exakte Nachverfolgung zu ermöglichen, sei hier in Frage gestellt und jedem Individuum selbst überlassen.

 

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