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HEXEREI




Die alltägliche Realität des Sklaven wird von seinem Verhältnis zu seinem Herrn bestimmt. Der Sklave ist dem Herrn hilflos ausgeliefert und sein Schicksal kann er kaum selbst beeinflussen. Diese Hilflosigkeit führt dazu, dass innerhalb der Subkultur der Sklaven verschiedene geheime Kulte im Rahmen der Hexerei und Magie praktiziert werden. Auf Martinique gibt es den Quimbois, der das Äquivalent des haitianischen Voudou darstellt (siehe Fleischmann 1986, 78)

Aus Sicht der Weißen ist dieser „Aberglaube“ gefährlich, da sie trotz Verspottung der Riten Angst vor den magische Fähigkeiten ihrer Sklaven haben und befürchten verhext oder durch einen Zaubertrank vergiftet zu werden  (siehe Fleischmann 1986, 78f). Vor allem Frauen wird nachgesagt viel Wissen über Pflanzenheilkunde zu besitzen und die Weißen haben besonders vor weiblichen Haussklaven Angst vergiftet zu werden  (siehe Bush 1990, 74f). Ältere Frauen spielen durch ihr Wissen und hohes Ansehen in der Sklavengruppe eine große Rolle in der Praktizierung der Subkultur und übernehmen oft die Führung in religiösen Zeremonien  (siehe Bush 1990, 154). Da der Bereich der Hexerei innerhalb der schwarzen Subkultur und oft heimlich entsteht und heimlich nachts praktiziert wird, gibt es auch hier einen verstärkten Einfluss afrikanischer Sprachen. Für das Konzept HEXEREI gibt es einige Bezeichnungen, deren Etymologie nicht nachweisbar ist, aber bei denen sich der Kontakt zu den afrikanischen Sprachen bemerkbar macht.

Konzept kreol. Bezeichnung fr. Bezeichnung Etymologie lexikologische Prozesse

HEXEREI

cham 

sorcellerie (f.), charme (m.) magique

fr. "charme" 

metonymischer Wandel

lamaniétiz  sorcellerie (f.) fr. "magnétisme" (m.) metaphorischer Wandel, Agglutination Artikel+Nomen
piay  sorcellerie (f.), sortilège (m.), maléfice (m.) car.? Entlehnung
tjenbwa, quimbois  sorcellerie (f.) afr.? Entlehnung
zenzen  sorcellerie (f.) afr.? Entlehnung
zes  sorcellerie (f.) afr.? Entlehnung

Das Wort "cham" kommt von französisch "charme", das bereits die Bedeutung von "Zauber" haben kann. Im Kreol bezeichnet "cham" nicht nur einen "Zauber", sondern das allgemeinere Konzept der HEXEREI. Diesen lexikologischen Prozess kann man als metonymischen Wandel klassifizieren. 

Der Begriff „lamaniétiz“ leitet sich von französisch „magnétisme“ („Magnetismus“) ab (siehe Bollée 2015, M,10). Bereits im Französischen des 19. Jahrhunderts kann das Begriffsfeld des MAGNETISMUS sich auf das semantische Feld der HEXEREI beziehen. Durch die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen MAGNETISMUS und HEXEREI durchläuft der Begriff einen metaphorischen Wandel und wird auf Hexerei und Magie erweitert. Das Verb „magnétiser“ bedeutet im Französischen unter anderem „jemanden in seinen Bann ziehen“ und das Adjektiv „magnétisé“ trägt auch die Bedeutung von „verzaubert“. Das kreolische Wort „lamaniétiz“ entsteht seinerseits durch die Agglutination von bestimmten Artikel und Nomen, wobei hier der weibliche Artikel dem Nomen zugeordnet wird, obwohl das Wort „magnétisme“ maskulin ist.

Die Wörter "piay" und "zenzen" sind wohl Entlehnungen aus karibischen und afrikanischen Sprachen. Die Etymologie lässt sich im Rahmen dieser Arbeit leider nicht herausfinden. In Confiant 2007 ist zwar mit einem Kürzel ("afr." oder "car.") die Herkunft angedeutet, aber keinen näheren Informationen gegeben. Die Recherche in entsprechenden Wörterbüchern liefert kein Ergebnis. Die Wörter "tjenbwa" oder "quimbois" (zwei Varianten der Aussprache) bezeichnen das Äquivalent zum haitianischen Voodoo und werden in den französischen Antillen als Begriff verwendet. 

Im haitianischen Kreol bezeichnet „zès“ unter anderem einen sexuellen Tanz der Toten im Voodoo Glaube auf Haiti. Des Weiteren gibt es das Wort „zesèl“, das „Einfluss“ bedeutet  (siehe Valdman 2007, 776). Inwieweit die Begriffe zusammenhängen und welchen Ursprung sie haben, bleibt ungeklärt. Interessant ist auf jeden Fall, dass es für das Konzept HEXEREI viele Bezeichnungen afrikanischer Herkunft mit leichten Bedeutungsunterschieden gibt, die zeigen, dass der Einfluss afrikanischer Sprachen im Bereich der Subkultur am stärksten ist. 

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